Joevin Jones, genannt J.J., hatte schon bessere Phasen – da muss man nicht drum herumreden. Aber was im Moment teilweise an Kritik auf ihn einprasselt, ist nicht fair.
Die Partie gegen den Hamburger SV war bislang der Tiefpunkt für den Flügelspieler aus Trinidad und Tobago. Nach einer guten halben Stunde holte ihn Trainer Dimitrios Grammozis vom Platz. Für jeden Fußballer die Höchststrafe.
Mindestens die Hälfte der Mannschaft hätte Auswechslung verdient gehabt
Dass es ausgerechnet Jones traf, hatte vor allem taktische Gründe. Grammozis wollte das defensive Mittelfeld stärken, brachte Yannick Stark und musste dafür einen Offensivspieler opfern. Unter Leistungsgesichtspunkten hätte zu diesem Zeitpunkt mindestens die Hälfte der Mannschaft eine Auswechslung verdient gehabt.
Tief enttäuscht war der Spieler, rang sichtlich um Fassung, als er vom Platz ging, und verschwand ohne Handschlag beim Trainer in der Kabine. Ein Aufreger? Oder – zumindest teilweise – nachvollziehbar?
Ab in die Karibik mit dem Lappen?
Zweimal hat der Lilienblog in den vergangenen Wochen über den Flügelspieler geschrieben, über seine Probleme, über sein Heimweh, über seine Sprachprobleme, über den Verlust seiner englischsprachigen Mannschaftskameraden Orrin McKinze Gaines II und Terrence Boyd und über die schwangere Lebensgefährtin weit weg in der Heimat.
Es gab darauf viele Reaktionen. Manche waren verständnisvoll. Aber viele davon hat der Spieler einfach nicht verdient: „Mann Mann Mann was ein Lappen“, „Ab in die Karibik“, „… hat seinen Job verfehlt. Auf Wiedersehen“, „Schickt ihn einfach weg das Kind…“ – so nur einige der Reaktionen.
Eine respektvolle Behandlung verdient jeder
Es ist traurig, was dem Spieler da um die Ohren gehauen wird. Natürlich ist Jones ein Zweitliga-Profi, der gut bezahlt wird und dafür auch die eine oder andere Unannehmlichkeit in Kauf nehmen muss. Aber eine respektvolle Behandlung verdient jeder – egal ob Millionär oder Hartz-IV-Empfänger.
Die Lilien haben Jones viel zu verdanken, vergangene Saison war er in der Rückrunde einer der Garanten für den Klassenerhalt. Und an Einsatz und Motivation liegt es augenscheinlich nicht, auch haarsträubende Fehler, die zu Gegentoren führten, hat er sich bislang nicht erlaubt. Da gibt es andere Kandidaten.
Joevin Jones hat die Spielfreude verloren
Jones agiert derzeit vor allem unglücklich – und das im doppelten Sinn. Er spielt sich fest, vertändelt sich, sieht den besser postierten Mitspieler nicht. Die Schultern hängen, die Spielfreude scheint verloren. Dabei kann ein gut aufgelegter Jones mit seiner Dynamik und seinem Trickreichtum die Mannschaft nach vorne bringen. Auch Grammozis bescheinigte ihm nach dem Kiel-Spiel Fortschritte.
Gerade geht es bei den Lilien wieder bergauf. Da ist es umso bitterer, dass Fans einen Spieler ihrer eigenen Mannschaft niedermachen, dem es gerade ganz offensichtlich nicht gut geht.
Keine direkte Parallele, sondern nur mal zur Erinnerung: In diesem Herbst jährt sich der Selbstmord von Robert Enke zum zehnten Mal. Wie laut war der Aufschrei damals über das unmenschliche Fußballgeschäft, in dem kein Platz für Schwäche ist. Hat sich daran etwas geändert?
Bildquellen
- D98-FCSP-2018-19-009: Arthur Schönbein