An guten Tagen kann Marvin Mehlem Spiele im Alleingang entscheiden. Doch davon ist der begnadete Mittelfeldspieler derzeit weit entfernt. Nach der Corona-Pause ging es für den 22-Jährigen stetig bergab. Gegen seinen Ex-Club Karlsruhe spielte er immerhin noch eine gute Stunde, gegen St. Pauli saß er zunächst auf der Bank, erzielte zwar als Joker sein erstes Saisontor.
Doch danach kam er trotz umfassender Rotation nicht mehr zum Einsatz. Gegen Aue saß er noch 90 Minuten auf der Bank, gegen Fürth und Regensburg nominierte ihn von Coach Dimitrios Grammozis nicht einmal für den 20-Mann-Kader. Ein schwacher Trost: Mehlem hatte schon schlechtere Zeiten bei den Lilien.
Wehlmann: „Jeder muss sich anbieten“
Hinter vorgehaltener Hand hieß es im Verein bereits vor dem Fürth-Spiel, Mehlem brauche von Zeit zu Zeit mal einen Schuss vor den Bug. Doch über mangelnde Rückendeckung von Seiten der Verantwortlichen kann sich der Spieler grundsätzlich nicht beklagen. Grammozis hatte noch zwei Tage vor dem Regensburg-Spiel erklärt: „Wir haben den Marvin nicht abgeschrieben. Er ist ein wichtiger Spieler in unserem Kader, und ich hoffe, dass er in den nächsten Spielen Impulse setzen kann, damit wir unsere sportlichen Ziele erreichen.“
Auch Sportchef Carsten Wehlmann glaubt an den Spieler: „Marvins Qualitäten sind unbestritten. Er ist ein super Fußballer, von dem wir absolut überzeugt sind“, sagt er dem Lilienblog. „Es ist aber einfach so, dass wir auf den Offensivpositionen breit aufgestellt sind. Jeder muss sich anbieten und dem Trainer mit aller Macht beweisen, dass er in den Kader und die erste Elf gehört.“
Starke Schwankungen – Marvin Mehlem bei den Lilien
Nach dem Bundesliga-Abstieg im Sommer 2017 war der frühere Nachwuchsnationalspieler vom KSC zu den Lilien gekommen. Mehlems Zeit in Darmstadt ist gekennzeichnet von starken Schwankungen. Immer wieder ließ er sein Können aufblitzen. Doch über einen längeren Zeitraum konnte er seine Leistungen nicht stabilisieren.
Drei Cheftrainer hat er seitdem erlebt. Ihnen die Schuld an der stockenden Entwicklung des Talents zu geben, würde jedoch zu kurz greifen. Unter Torsten Frings war Mehlem der Überraschungsspieler. Doch nach gutem Start konnte auch der damals 20-Jährige den Abwärtstrend der Mannschaft nicht stoppen.
Bei Frings-Nachfolger Schuster hatte Mehlem einen schweren Stand, war zehn Spiele außen vor. Doch er kämpfte sich zurück. Stammspieler wurde der Techniker aber nie unter Schuster, der eher für einen rustikalen Fußball stand.
Unter Grammozis schien endlich die Wende zu kommen. Dass der Coach weniger auf lange Bälle, sondern mehr auf Kombinationsspiel setzte, kam Mehlem entgegen. Zwei ganz starke Leistungen beim 3:2 gegen Kiel und vor allem beim legendären 3:2 gegen Hamburger SV zu Beginn der Grammozis-Amtszeit in der vergangenen Saison deuteten an, welch großes Potenzial in dem 1,74 Meter kleinen Mehlem steckt. Doch auch das war nur ein Strohfeuer. Nach einem Infekt konnte er nicht mehr an diese Leistungen anknüpfen – und das eigentlich bis heute.
Neuer Vertrag statt Millionen-Ablöse
Im vergangenen Sommer stand noch zur Debatte, ob er seinen Vertrag vorzeitig verlängert oder ob der Verein versucht, mit ihm eine Ablösesumme zu erzielen. Interesse des VfB Stuttgart und des 1. FC Nürnberg wurde kolportiert, von bis zu zwei Millionen Euro Ablöse war die Rede. Doch Mehlem verlängerte schließlich bis 2022 bei den Lilien.
Konstanter wurde er dadurch nicht. Das Fachmagazin „kicker“ bewertet ihn in der laufenden Saison mit der Durchschnittsnote 3,93. Angesprochen auf seine schwankenden Leistungen erklärte Mehlem vor einigen Wochen: „Eine Erklärung zu finden, ist immer schwer, ich mache das ja nicht mit Absicht.“
Grundsätzlich seien solche Phasen bei einem jungen Spieler auch mal normal. Vielleicht habe er sich durch die Vertragsverlängerung und die vergangene Rückrunde mehr Druck gemacht und sicherlich hätten sich auch die Gegner anders auf ihn eingestellt, sagte er.
„Wer alles kann, muss alles zeigen“
Grammozis hielt lange an ihm fest. Bis zum 20. Spieltag kam Mehlem in jedem Spiel zum Einsatz, stand sogar meist in der Startformation. Allerdings hatte der Trainer den Spieler bereits im Herbst – als es zugegebenermaßen in der gesamten Mannschaft nicht gut lief – in die Pflicht genommen: „Ich erhoffe mir einfach ein bisschen mehr Präsenz von ihm auf dem Platz“, sagt der Coach vor dem Hinrundenspiel gegen Regensburg. „Wir sagen als Trainerteam immer: Wer alles kann, muss alles zeigen.“
Mehlem selbst hatte nach diesem Schuss vor den Bug eine Reaktion gezeigt und als Einwechselspieler mit einer starken Aktion ein Tor vorbereitet. Nun also der nächste Schuss vor den Bug – und die Frage: Folgt wieder eine Reaktion? Und wann?
Bildquellen
- 016: Arthur Schönbein
- SVD-BOC-blog-2019-20-017: Arthur Schönbein