Als Dimitrios Grammozis im Februar 2019 zum SV Darmstadt 98 kam, war er als Profi-Trainer ein unbeschriebenes Blatt. Nun geht er mit einer eindrucksvollen Erfolgsbilanz. Eine Chronik der vergangenen 16, manchmal auch turbulenten Monate, in denen es auch düstere Phasen gab:
Die Anfangszeit
23. Februar 2019
Der bisherige A-Jugendtrainer des VfL Bochum, Dimitrios Grammozis, wird Nachfolger des beurlaubten Dirk Schuster als Chefcoach des SV Darmstadt. Er erhält einen Vertrag bis zum Ende der Saison 2020. Sportchef Carsten Wehlmann erklärt, dass Grammozis die Mannschaft kurzfristig stabilisieren und den Klassenerhalt schaffen und sie mittelfristig weiterentwickeln soll.
3. März
Die Premiere bei Arminia Bielefeld geht schief – nicht nur sportlich mit dem 0:1. Grammozis versäumte es, nach dem Spiel zu den mitgereisten Fans zu gehen und ihnen zu danken, wie das üblich ist. Auch wenn er sich später explizit bei den Anhängern entschuldigte, haben ihm das viele übel genommen.
9. März
Die Lilien zeigen sich spielerisch stark verbessert und gewinnen ihr Heimspiel gegen Holstein Kiel 3:2.
16. März
Beim Hamburger SV liegen die Lilien schnell mit 0:2 zurück. Ein Debakel droht. Grammozis bringt Yannick Stark für Joevin Jones. Die Wende. Das Team dreht die Partie, gewinnt dank eines überragenden Marvin Mehlem sensationell 3:2.
26. April
„Natürlich fahren wir nach Köln mit dem Denken, da auch etwas mitzunehmen“, sagt Grammozis vor dem Spiel beim Spitzenreiter – und wird dafür etwas belächelt. Doch ein Tor des eingewechselten Felix Platte beschert den Lilien ein 2:1 und damit am 31. Spieltag den vorzeitigen Klassenerhalt.
19. Mai
Mit einem 1:0 über Erzgebirge Aue schließen die Lilien die Saison wie im Vorjahr als Tabellenzehnter ab.
Die neue Saison
28. Juli
Die Lilien verpassen zum Auftakt gegen den Hamburger SV den Sieg wegen eines Elfmeters in der Nachspielzeit nach Videobeweis nur denkbar knapp. Es folgen ein Heimsieg über Holstein Kiel und der Einzug in die 2. Runde des DFB-Pokals. Insgesamt ein ordentlicher Start in die Saison.
19. August
Der Knick: Beim Aufsteiger VfL Osnabrück geraten die Lilien 0:4 unter die Räder. Der Schock sitzt tief. Das Team wirkt in den Wochen danach verunsichert. Es folgen sechs weitere Spiele ohne Sieg. Die Mannschaft rutscht ab bis auf Platz 17. Grammozis betont immer wieder, dass er an die Mannschaft glaubt, verweist auf positive Ansätze – und handelt sich damit bei Kritikern den Vorwurf der Schönrednerei ein.
19. Oktober
Endlich wieder ein Dreier – und ein grandioses Comeback: Tobias Kempe, zuvor von Grammozis zeitweise aus dem Kader verbannt, schlägt als Joker einen Eckball auf Victor Pálsson, der damit das 1:0 beim FC St. Pauli köpft.
25. Oktober
Ein 1:0-Heimsieg über Erzgebirge Aue und Ex-Lilien-Coach Dirk Schuster.
Die Krise
29. Oktober
Der nächste Dämpfer: Gegen den Karlsruher SC scheiden die Lilien mit einer 0:1-Heimniederlage im Pokal aus. Vier Tage später der absolute Tiefpunkt der Saison. Nach einer desolaten Leistung verliert die Mannschaft bei Greuther Fürth 1:3. Die mitgereisten Fans sind erbost. In den Foren ist die Stimmung aufgereizt und richtet sich vor allem gegen den Trainer. „Der Grieche muss weg„, heißt es da unter anderem.
10. November
Eine furiose Partie gegen Jahn Regensburg – und deutliche Pfiffe vom eigenen Publikum gegen Serdar Dursun. Der verschießt einen Elfmeter nach aufreizendem Anlauf. Zwar dreht er danach die Partie noch mit zwei Toren. Doch für einen Sieg reicht es trotzdem nicht, weil Keeper Marcel Schuhen in der Nachspielzeit patzt. Nach dem 2:2 bleibt die Stimmung gereizt.
1. Dezember
Trotz einer taktisch guten Leistung verlieren die Lilien gegen Arminia Bielefeld zu Hause 1:3. Es ist jedoch die letzte Niederlage für lange Zeit.
Jahresabschluss
Die Lilien gehen als Tabellenzwölfter in die Winterpause. Im Lilienblog-Interview sagt Grammozis, die Mannschaft habe defensiv zu viele individuelle Fehler gemacht und sei vorne nicht kaltschnäuzig genug gewesen. Sein Ziel für die Rückrunde: so viele Zähler wie möglich holen. Mit Blick auf seinen auslaufenden Vertrag erklärt er, da sein „kein Druck auf dem Kessel“. Ihm mache die Arbeit sehr viel Spaß. „Alles andere wird sich ergeben.“
25. Januar 2020
Beim Neujahrsempfang erklärt Präsident Rüdiger Fritsch, der Verein sei nach der vorschnellen Vertragsverlängerung mit Torsten Frings vorsichtiger geworden. Ohnehin sei das Geschäft sehr kurzlebig geworden. Man gebe den Beteiligten viel zu wenig Zeit. Mit Grammozis stehe man aber im Austausch. „Gehen Sie davon aus, dass wir in einer guten Abstimmung sind und dass das auch keine irre lange Hängepartie wird.“
29. Januar
Die Lilien starten mit einem holprigen 1:1 bei Holstein Kiel. Auch im folgenden Heimspiel kommen sie nicht über ein 2:2 gegen den VfL Osnabrück hinaus.
7. Februar
Das 3:2 bei Dynamo Dresden ist der erste Sieg seit zweieinhalb Monaten. Nach einer starken ersten Halbzeit haben die Lilien im zweiten Durchgang viel Glück, dass Dresden nicht mehr zum Ausgleich kommt. Die „Bild“ schreibt später: „GRAMMOZIS Neuer Vertrag noch diese Woche?“
Die angekündigte Trennung
23. Februar
Die Lilien gewinnen 2:1 in Nürnberg, der dritte Sieg in Folge. Grammozis ist auf den Tag genau ein Jahr im Amt. „Ist erwähnenswert in Darmstadt“, sagt er lachend. Zu den Verhandlungen erklärt er: „Es gibt da keinen neuen Stand.“ Ein Präsidiumsmitglied gibt sich zuversichtlich, dass es in den kommenden Tagen zu einer Einigung kommt.
25. Februar
Grammozis informiert den Verein überraschend über seine Entscheidung, den angebotenen Einjahresvertrag nicht anzunehmen. Am Tag darauf wird das Scheitern der Verhandlungen öffentlich verkündet. Knackpunkt ist die Vertragsdauer: Der Verein bietet einen Einjahresvertrag, Grammozis strebt ein längerfristiges Engagement an.
Mitte März
Die Saison wird wegen der Corona-Pandemie unterbrochen. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Lilien seit zehn Spielen unbesiegt.
16. Mai
Der Restart nach der Corona-Pause misslingt. Beim Karlsruher SC gibt es nach einer blutleeren Leistung ein 0:2.
Der versöhnliche Abschluss
23. Mai
Mit dem höchsten Heimsieg der Saison melden sich die Lilien eindrucksvoll zurück. Gegen den FC St. Pauli gibt es ein 4:0. Drei Tage später folgt ein 3:1 bei Erzgebirge Aue. Die Lilien sind plötzlich nur noch vier Punkte von einem Aufstiegsplatz entfernt. Grammozis nimmt das Wort Aufstieg nicht in den Mund. „Wir schauen von Spiel zu Spiel“, sagt er immer wieder.
18. Juni
Nach dem 0:1 bei Aufsteiger Arminia Bielefeld ist der Aufstieg nicht mehr zu schaffen. Trotzdem schenken die Lilien die Saison nicht ab. Er sei bis zum letzten Spieltag voll auf die Lilien fokussiert, sagt Grammozis .
21. Juni
Vor dem letzten Heimspiel gegen Wehen Wiesbaden bedauert Grammozis öffentlich, dass er die Atmosphäre mit Publikum im Stadion nicht noch einmal aufsaugen und den Fans Danke sagen kann. Seine Zeit in Darmstadt sei sehr emotional gewesen. „Man kann schon sagen, dass ich mich in dieses Böllenfalltor verliebt habe mit diesen überragenden Fans!“
28. Juni
Beim Bundesliga-Aufsteiger VfB Stuttgart gewinnen die Lilien 3:1, schließen die Saison als Tabellenfünfter ab und sind nach Bielefeld zweitbestes Rückrundenteam. „Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft, dass sie uns allen und uns als Trainerteam so einen schönen Abschluss beschert haben“, sagt Grammozis zum Abschied. „Was wir heute auf dem Platz gesehen haben, ist ein Spiegelbild der ganzen Saison. Wir sind eine Mannschaft, die eine absolute Einheit ist.“
Bildquellen
- Grammozis: Stephan Köhnlein/Lilienblog
- DSC-D98-2018-19-002: Arthur Schönbein
- HSV-D98-03: Arthur Schönbein
- HSV-SVD-Lilienblog-2019-20-005: Arthur Schönbein
- Dimmi-03: Arthur Schönbein
- FCN-SVD-2019-20-blog-036: Arthur Schönbein
- Fussball 2. Bundesliga, FC Erzgebirge Aue – SV Darmstadt 98: Foto: Florian Ulrich/Jan Huebner/Pool
- FCN-SVD-2019-20-blog-030: Arthur Schönbein