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Entlassen als Tabellenführer und nahezu sicherer Aufsteiger – das ist Markus Anfang als Trainer in Köln widerfahren. Im dritten und letzten Teil des Lilienblog-Interviews spricht der neue Lilien-Coach über die schwierige Zeit, in der die schwere Krankheit seines Vaters vieles in den Hintergrund rücken ließ.

Herr Anfang, in Kiel waren sie erfolgreich. In Köln eigentlich auch. Trotzdem mussten Sie als Tabellenführer und fast sicherer Aufsteiger gehen. An was lag das Aus in Köln?

Markus Anfang: Ich habe ein bisschen Probleme mit dem „eigentlich“. Wir waren erfolgreich! Natürlich habe ich nicht alles richtig gemacht. Ich würde sagen, wir sind in Köln nicht an der Zielsetzung gescheitert, sondern an dem Anspruch. Wobei ich auch gar nicht gescheitert sagen möchte. Das war einfach der Auslöser. Die Erwartungshaltung war einfach nicht umsetzbar. Die hätten wir vielleicht eindämmen müssen – auch mit Blick auf die Jungs. Man hatte das Gefühl, die durften sich nicht freuen, wenn sie ein Spiel bloß knapp gewonnen hatten. Aber die Zielsetzung haben wir erfüllt.

Wie haben Sie das Aus in Köln persönlich weggesteckt?

Markus Anfang: Das war aus anderen Gründen eine ganz schwierige Zeit für mich. Beim Spiel in Duisburg hatte mein Vater einen schweren Herzinfarkt und ums Überleben gekämpft. Am Tag, nachdem ich in Köln nach dem 1:2 gegen Darmstadt entlassen worden war, wurde mein Vater aus dem Krankenhaus entlassen. Vor dem Hintergrund hat mich die Entlassung in Köln gar nicht so schwer getroffen. Ich war in Gedanken bei meinem Vater und bei meiner Mutter. Es war so viel zu tun, um die beiden zu unterstützen. Meine Schwester und ich haben uns da komplett reingegeben. Denn es geht nichts über die Familie. Andere Dinge traten in den Hintergrund – auch wenn mir viele meiner Jungs aus Köln damals geschrieben haben, weil sie auch enttäuscht waren. Aber in dem Moment war ich vor allem für meine Familie da.

Wie geht es Ihrem Vater jetzt?

Markus Anfang: Die Herzleistung ist schwach. Aber es grenzt an ein Wunder, dass er sich so bewegen kann, wie er sich jetzt bewegt.

Darmstadt ist für Markus Anfang mittlerweile ein etablierter Zweitligist

Bei solchen Themen ist es nicht leicht, den Bogen zurück zum Sportlichen zu schlagen … Sie haben das Thema Erwartungen genannt. Die sind vielleicht nicht so hoch wie in Köln. Aber hier haben die Fans erlebt, wie eine No-Name-Mannschaft bis in die Bundesliga durchmarschiert ist. Entsprechend schnell gehen die Erwartungen auch in Darmstadt nach oben …

Markus Anfang: Das ist grundsätzlich positiv. Die Frage ist, wie weit man das mitmacht und ab wann man das eindämmt. Wir leben von den Emotionen und von den Fans. Die will man nicht zurückhalten. Aber der SV Darmstadt 98 jetzt ist nicht mehr der SV Darmstadt 98 von vor einem Jahr. Wir werden Spieler verlieren, und wir müssen versuchen, Spieler für uns zu gewinnen. Ein geringerer Etat, kleinerer Kader, ein enger Terminplan – es muss vieles gut laufen für eine erfolgreiche Saison. Es wird für jeden Zweitligisten ein schwieriges Jahr.

Sie haben bei Ihrer Vorstellung gesagt, Sie sehen Potenzial im Verein. Jetzt bremsen Sie das ….

Markus Anfang: Ich habe es nicht gebremst. Ich habe es nur eingeschränkt, denn wir dürfen bei aller Euphorie die Augen nicht vor Realitäten verschließen. Potenzial sehe ich in dem, was hier passiert: beim Stadion, beim soliden Wirtschaften. Das ist eine Basis, auf der man aufbauen kann. Ich habe das Gefühl, dass man hier etwas entwickeln kann, und auch die Verantwortlichen wollen das. Es muss natürlich noch viel passieren. Aber Darmstadt ist mittlerweile ein etablierter Zweitligist. Darauf müssen wir jetzt in der Corona-Situation aufbauen.

Wortspiele mit Anfang: Viele Überschriften und wenige Überraschungen

Was muss passieren, damit Sie nächstes Jahr um die Zeit sagen: Es war ein gutes Jahr?

Markus Anfang: Zunächst müssten wir die Kaderplanung hinbekommen und langfristige Perspektiven entwickeln, damit wir nicht wie diesen Sommer Schwierigkeiten haben, alle Positionen zu besetzen. Dann wäre es schön, wenn die Mannschaft sich soweit findet, dass sie flexibel auf die Gegner reagieren kann. Und es wäre schön, wenn wir sagen könnten, dass sich die Spieler gut entwickelt haben. Dann werden auch die entsprechenden Ergebnisse kommen. Wenn ich die nackten Ergebnisse vor die Entwicklung der Mannschaft und der Spieler stelle, habe ich kein solides Fundament.

Letzte Frage: Ihr Name verleitet immer wieder zu Wortspielen. Beim Amtsantritt war etwa vom Neu-Anfang die Rede. Nervt Sie das?

Markus Anfang: Ach, das ist ja schon seit meiner Zeit als Spieler so. Ich habe schon viele Überschriften gelesen. Und es gibt wenige Überraschungen. Ich heiße nun mal so.

 

Hier findet Ihr die anderen beiden Teile des Interviews mit Markus Anfang:

Teil 1 über Serdar Dursun und die schwierige Kaderplanung

Teil 2 über sein Selbstverständnis als Trainer.

Bildquellen

  • Anfang-05: Arthur Schönbein

3 Kommentare

  • Reiner Kausen sagt:

    Lieber Markus,
    ich bin ewiger Fortuna-Fan (der auch noch in Köln wohnt) und „akzeptiere“ beschämt die drei Punkte.
    Du und die Lilien tun mir echt leid, und Du hast Recht:
    Deine Mannschaft war 85 Minuten die klar!!! bessere Mannschaft👋 und hätte den Sieg!!! verdient gehabt, keine Frage…
    Weiter so, ich halt Euch die Daumen!

    • Stephan Köhnlein sagt:

      Vielen Dank für die netten und ehrlichen Worte von einem Fortuna-Fan. Die Niederlage war gestern wirklich bitter. Wir haben die Hoffnung, dass sich Glück und Pech über die Saison hinweg ausgleichen und dass die Mannschaft einfach noch kaltschnäuziger wird – vorne wie hinten. Der Fortuna auch viel Erfolg – das ist ein Verein, der grundsätzlich in die Bundesliga gehört!

  • Joachim Seibert sagt:

    Lieber Herr Anfang,
    gerne hätte ich Ihnen heute (19. bzw. 20. März 2022) nach Ihrem Interview im Aktuellen Sportstudio des ZDF ein Mail geschickt, konnte aber im Internet keine entsprechende Mail-Adresse finden, sondern nur hier diese Kommentarfunktion zu einem Beitrag von vor knapp 2 Jahren. Vielleicht wird ihnen meine Mitteilung ja trotzdem noch zugestellt.
    Ich möchte mich sehr für Ihren mutigen und aufrichtigen Auftritt im Sportstudio bedanken! Für mich sind Sie heute tatsächlich ein Vorbild geworden durch die Art und Weise, wie Sie jetzt mit dem gemachten Fehler umgehen: es gehört Größe dazu (!), sich öffentlich zu seinem Fehlverhalten ohne „wenn“ und „aber“ zu bekennen, sich zu entschuldigen und die Prügel der (Selbst-)“Gerechten“ einzustecken, von denen keiner ein Heiliger ist, denn jeder Mensch hat Schwächen und Fehler, nur bei manchen fallen sie weniger auf oder kommen nicht ans Tageslicht.
    Und jeder, aber wirklich jeder, der seinen Fehltritt so bereut und eingesteht, hat eine zweite Chance verdient, auch eine dritte und vielleicht noch mehr!
    Ihre Erklärung, wie es dazu gekommen ist, kann ich übrigens sehr gut nachvollziehen, auch wenn dies die Entscheidung dafür natürlich nicht entschuldigt – aber das ist Ihnen ja selbst zu genüge bewusst.
    Ich fürchte, ich hätte an Ihrer Stelle nicht den Mut aufgebracht, mein Fehlverhalten so klar zu benennen und unumwunden einzugestehen, sondern hätte viel mehr nach Ausreden und Rechtfertigungen gesucht – sogar vor mir selbst.
    Sollte ich einmal in eine vergleichbare Situation geraten, werde ich bestimmt an Sie denken und dann hoffentlich auch den Mut aufbringen, meine Fehler einzugestehen.
    Die Art, wie das ZDF das Interview mit Ihnen geführt hat, fand ich so unangenehm, dass ich dem ZDF eben über das Kontaktformular die folgende Nachricht geschickt habe; das darin am Anfang verwendete Wort „widerlich“ habe ich vor dem Absenden nur deshalb durch das Wort „unappetitlich“ ersetzt, um nicht zu viel Schärfe in meine Rückmeldung zu bringen (sonst lesen die Redakteure meinen Beitrag vielleicht nicht weiter 😉 ). Folgendes habe ich ans ZDF geschrieben:

    „Sehr geehrte Verantwortliche des aktuellen Sportstudios,
    was bitte war das für ein unappetitliches Interview mit Markus Anfang?!! Und damit meine ich nicht den verurteilten Ex-Trainer von Werder Bremen, sondern die Selbstgerechtigkeit von Herrn Voss, dessen Worte, Blicke, Tonfall und sein ganzer Habitus ununterbrochen die Botschaft ausstrahlten: „Ich bin der Gute, der Nicht-Kriminelle und Sie, Herr Anfang sind der Böse, der Straftäter.“ Bezeichnend seine von einem süffisanten Lächeln begleitete Frage gegen Ende des Interviews „Aber Sie persönlich finden, Sie haben ’ne zweite Chance verdient?“
    Das „Bild-Zeitung“sverdächtige Schwarz-Weiß-Zeichnen von den vielen Gerechten und dem einen Bösen, dem Betrüger, dem, der nie wieder Vorbild sein kann („Was glauben Sie denn: können Sie nochmal ein Vorbild sein? Können Sie der nochmal Trainer sein, wo junge Spieler zu ihnen aufschauen?“ -> Suggestivfragen, die keine andere Antwort als ein „nein“ akzeptieren würden), wurde gezielt forciert: „Aber wissen Sie, das das Problem haben Millionen andere auch gehabt, auch in dieser Phase. Denken Sie mal an die ganzen Pflegekräfte, an Erzieherinnen, Erzieher, die gesagt haben: ‚Wenn ich mich nicht impfen lassen kann oder will, dann verlier‘ ich meinen Job.‘ Und die haben aber ’ne andere Abzweigung genommen. Lassen Sie uns aber noch en Schritt zurückgehen: …“ Ganz davon abgesehen, dass Herrn Anfang hier gar nicht die Möglichkeit gegeben wurde, zu diesem Zerrbild der Wirklichkeit Stellung zu nehmen: Woher will Herr Voss wissen, dass diese „Millionen“ „’ne andere Abzweigung genommen haben“? Herr Anfang war (und ist) beileibe nicht der Einzige, der sich einen gefälschten Impfpass besorgt hat; Letztere wurden und werden im Internet in großem Umfang vertickt – und zwar, weil sie entsprechende Abnehmer finden! Natürlich wird seine Tat dadurch nicht richtig – das behauptet ja niemand (auch Herr Anfang nicht), aber man sollte sie realistisch einordnen und nicht stilistisch überziehen.
    Sicherheitshalber hat Herr Voss gleich zu Beginn des Interviews die Zuschauer im Studio und Zuhause direkt auf Kurs gebracht, sofort als das Publikum den Äußerungen von Herrn Anfang erstmals Applaus spendete: „Die Reaktionen werden so sein (Indikativ!!!), wie sie sind. Sie sind dran gewöhnt, auch wir werden heute wahrscheinlich nicht häufig einer Meinung sein …“
    Mein Vorwurf richtet sich aber nicht nur an Herrn Voss, sondern an das ganze Team im Hintergrund, das diese Verurteilungs-Richtung offensichtlich mitgetragen und sogar mitgeplant hat: bezeichnend die 30fache Einblendung des Wortes „Fälschung“ in der scheinbar wertneutralen, sachlichen und objektiven Präsentation der Faktenlage“ (… lassen Sie uns vielleicht nochmal kurz darauf schauen, was alles wichtig ist zu wissen. Tim Schröter über ‚den Fall Markus Anfang'“ („DER FALL Markus Anfang -> Stigmatisierung!“). Und schließlich die abrupte, direkte Einspielung des Torwand-Trailers, welcher sonst immer mehr oder weniger wortreich eingeleitet wird, unmittelbar nach Ende des Interviews (-> das war kein Zufall, sondern geplant!) – offensichtlich aus Sorge, das Studiopublikum könnte vielleicht doch zu laut und lang applaudieren, einem Mann, der an diesem Abend jedenfalls Größe gezeigt hat: die Größe, seinen Fehler einzugestehen, ohne irgendetwas zu beschönigen oder nach Ausreden zu suchen, die Größe, sich einem öffentlichen Spießrutenlaufen auszusetzen und nicht zuletzt die Größe, die verbalen Schläge eines Herrn Voss auszuhalten, ohne sich zu wehren.
    Herrn Voss und allen, die für dieses tendenziöse Interview verantwortlich sind, empfehle ich wärmstens die folgende Bibelstelle zur Lektüre:
    Matthäus 7, 1-5

    Mit freundlichen Grüßen,
    Joachim Seibert“

    Ihnen, Herr Anfang, alles Gute sowie viele Menschen, die zu Ihnen halten – und bleiben Sie gesund!
    Herzliche Grüße,
    Joachim Seibert

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