Erstmals seit gut einem halben Jahr hat der SV Darmstadt 98 gegen den SSV Jahn Regensburg wieder ein Heimspiel vor Zuschauern ausgetragen. Es soll ein Schritt zurück zur Normalität werden – doch die ist noch weit entfernt, findet Lilienblog-Autor Stephan Köhnlein,
Die Sonne scheint … nicht. Der Himmel ist grau, es ist kühl und feucht. Meinen alten Arbeitsplatz gibt es nicht mehr. Die Bagger haben mittlerweile rund die Hälfte der alten Haupttribüne eingerissen. Die Medienvertreter wurden auf die neue Gegengerade übergesiedelt.
Der Blick von dort auf das neue Funktionsgebäude ist wegen der Baustelle inzwischen weitgehend freigelegt. Nun ja, es gibt schönere Aussichten. Der Blick von ganz oben auf das Feld ist dafür gigantisch. Man sitzt deutlich höher als auf der alten Haupttribüne, überblickt das gesamte Spielfeld.
Ob wirklich die 1.741 Zuschauer gekommen sind, die zugelassen waren? Schwer zu sagen. Keine Haupttribüne mehr, die Südtribüne, wo sonst die Fans auf den Stehplätzen für Stimmung sorgen, ist leer. Auf der Nordtribüne und dem Oberrang der neuen Gegengerade verteilen sich die Menschen in Gruppen auf den Sitzpläzen – mit reichlich Abstand dazwischen.
„Und mit der Nummer elf Tobias …“
Bei den Geisterspielen in der vergangenen Saison verzichtete der Verein auf das sonst so stimmungsvolle Verlesen der Aufstellung mit Musikuntermalung. Diesmal erhebt sich wieder das Grummeln von Alan Parsons „Sirius“, dann setzt die schneidende Gitarre ein und die Stadionregie ruf die Vornamen der Lilien-Spieler auf.
Doch, wo sonst als Antwort die Nachnamen der Spiele skandiert werden, bleibt es ziemlich still. Sind es zu wenige Zuschauer? Oder womöglich zu wenig Fachkundige? Ein großer Teil der Karten ging jedenfalls an VIPs.
Nach rund zehn Minuten erhebt sich zum ersten Mal so etwas wie ein Sprechchor. Nach gut einer halben Stunde hallt im dünnen Wechselgesang ein „S – V – D“ zwischen den Tribünen. Sonst ist es ziemlich ruhig. Wirklich aufregend ist das Spiel bis dahin aber auch nicht.
In der Pause werden auf der Gegentribüne kostenlos belegte Brötchen und Getränke gereicht. Im zweiten Durchgang wird es etwas munterer mit einem entschiedenen „Lilie(n), Lilie(n)“. Und in der bewegten Schlussviertelstunde kommt tatsächlich nochmals ein bisschen Atmosphäre auf. Aber das ist kein Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten, wo das Publikum die Mannschaft in dieser Situation nach vorne getrieben, gesungen und gebrüllt hätte.
Dann ist das Spiel aus. Das Stadion-Torso leert sich sehr schnell. Zurück über die Baustelle. Zum ersten Mal seit der Corona-Pause gibt es nach einem Spiel des SV Darmstadt 98 wieder eine Pressekonferenz live vor Journalisten. Früher drängten sich die Journalisten im engen Presseraum unter der Haupttribüne – undenkbar bei den derzeit geforderten Sicherheitsabständen. Im Erdgeschoss des neuen Funktionsgebäudes ist an diesem Tag so viel Platz, dass jeder Medienvertreter einen eigenen Tisch erhält. Aber auch nur, weil für den Gast aus Regensburg wieder lediglich ein Journalist zur Pressekonferenz gekommen ist. Immerhin eine Sache, die sich mit Corona nicht geändert hat.
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- 4ce179e7-cf77-40e0-b472-fff38396299a: Arthur Schönbein