Alle reden von der körperlichen Regeneration angesichts des dichten Terminkalenders. Aber was ist mit der mentalen Erholung? Markus Anfang erzählt in der ersten Folge unseres dreiteiligen Lilienblog-Interviews, wie er als Trainer des SV Darmstadt 98 dafür sorgt, dass seine Spieler den Kopf freibekommen und was er bei sich selbst dafür tut.
Herr Anfang, vor ziemlich genau einem Jahr hat Ihr Vorgänger Dimitrios Grammozis als Fazit des ersten Saisonteils sinngemäß gesagt: Ganz okay, aber zu wenig Punkte. Könnte jetzt auch wieder passen – oder?
Markus Anfang: Ich glaube, wir haben guten Fußball gespielt. Wir sind die Mannschaft mit dem meisten Ballbesitz in der Liga. Wir kreieren viele Chancen und haben viele Tore geschossen. Wir hatten leider auch eine Phase, in der wir viele Gegentore bekommen haben. Wir waren in den meisten Spielen die bessere Mannschaft. Aber wir haben uns nicht immer belohnt. Wenn man da jetzt einen Strich zieht, dann ist es in der Tat so, dass wir mehr Punkte haben könnten.
Nach den vielen Gegentoren haben sie zuletzt von der Vierer- auf eine Dreierkette umgestellt – und prompt drei Spiele zu null gespielt …
Markus Anfang: Das liegt vor allem daran, dass sich die Reaktion nach Ballverlust extrem verbessert hat. Natürlich kann man sagen, dass wir mit dem dritten Innenverteidiger das Zentrum stabiler gemacht haben. Aber wenn man nach einem Ballverlust nicht richtig umschaltet, bekommt man auch mit der Dreierkette Gegentore.
„Nicht viel Luft bis zur nächsten Länderspielpause“
Der Terminplan ist gedrängt. Wir reden viel über körperliche Regeneration. Aber wie sieht es mit der mentalen Frische aus? Müssen die Spieler nicht auch mal den Kopf freizubekommen?
Markus Anfang: Auf jeden Fall. Das geht vor allem, wenn man nicht immer die gleichen Abläufe hat und dieselben Menschen sieht. Du brauchst Ablenkung, musst mal raus. Aber Essen im Restaurant oder einfach in die Stadt zu gehen fällt im Moment ja nicht nur für uns weg. Die mentale Frische bekommst du über freie Tage, die du nicht hier am Stadion verbringst.
Und wie lässt sich das umsetzen?
Markus Anfang: Die Spieler hatten deswegen im Herbst in den Länderspielpausen schon mal vier Tage frei und jetzt über Weihnachten auch. Außerdem versuchen wir, die Jungs außerhalb des Trainings so wenig wie möglich hierher zu bestellen, damit sie etwas Anderes machen können. Aber wir wissen auch, dass wir bis zur nächsten Länderspielpause Ende März nicht viel Luft haben.
Was Markus Anfang für kontraproduktiv hält
Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, den Spieler einen Yoga- oder Mentaltrainer für Regenerationstechniken anzubieten?
Markus Anfang: So ein Angebot kann ein Verein natürlich stellen. Aber das muss in den Ablauf eingebunden werden. Die Spieler müssten dann zusätzliche Zeit hier verbringen. Und das könnte kontraproduktiv sein. Ein schwieriges Thema. Ich habe das bei meinen bisherigen Vereinen als Trainer auch unterschiedlich erlebt. Wenn ein Spieler hier ein Angebot möchte, helfen wir gerne bei der Vermittlung. Aber viele haben da schon über ihre Berater entsprechende Kontakte.
Und wie bekommen Sie selbst den Kopf frei?
Markus Anfang: Mir hilft es unglaublich viel, laufen zu gehen – jedes Mal, wenn ich mir die Laufschuhe anziehen und eine halbe oder dreiviertel Stunde im Wald habe. Deswegen plane ich das in den Tagesablauf ein. Und die Zeit, die ich frei habe, verbringe ich möglichst mit meiner Familie. Dann kümmere ich mich voll und ganz um meine Kinder und ihre Themen. Auch das bringt einen auf andere Gedanken und macht so den Kopf frei.
Bildquellen
- F95-SVD-2020-21-blog-Anfang-001: Arthur Schönbein