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Der Fußball hat eine Sonderrolle während der Corona-Pandemie? Für solche Aussagen fehlt Rüdiger Fritsch das Verständnis. „Insgesamt hat der Fußball als Vorbild vielen geholfen, nicht nur mit seinem Hygiene-Konzept“, sagt der Präsident des SV Darmstadt 98 im zweiten Teil unseres großen Interviews.

Herr Fritsch, haben Sie eigentlich keine Sorge, dass sich die Fans nach über einem Jahr quasi ohne Stadionbesuch vom Fußball entfremden?

Ich glaube, die Menschen werden das Stadionerlebnis wieder annehmen. Eine mögliche Entfremdung wird zwar immer wieder behauptet, kann aber nicht belegt werden. Die Einschaltquoten im Fernsehen und damit das Interesse steigen jedenfalls.

Ein Vorwurf an den Fußball lautet, er genieße eine Sonderrolle in Zeiten von Corona. Haben Sie Verständnis für solche Aussagen?

Nein, das verstehe ich nicht. Der Fußball bewegt sich mit den Geisterspielen auf einem absoluten Minimum-Niveau. Alles ist runtergefahren, so wie anderswo auch. Da stehen nur 22 Spieler mit einem Top-Hygiene-Konzept auf dem Platz. Wo ist da die Sonderrolle? Ich kann nicht nachvollziehen, einem Bereich, hier dem Profifußball, zum Vorwurf zu machen, dass er sich in einer Krise gut organisiert. Der Fußball tut niemandem etwas und nimmt niemandem etwas weg. Im Gegenteil: Auch wenn in Einzelfällen mal jemand zum Friseur gegangen ist – insgesamt hat der Fußball als Vorbild vielen geholfen, nicht nur mit seinem Hygiene-Konzept.

Blutet Ihnen das Herz, wenn Sie bei Spielen am Böllenfalltor die leere neue Gegengerade sehen?

Herzbluten ist fast zu wenig. Dass die Gegengerade bislang nur drei Heimspiele mit Zuschauern erlebt hat, ist wahnsinnig traurig. Aber weil die Tribüne zum Glück nicht nur für dieses und vergangenes Jahr gebaut wurde, werden dort sicherlich noch viele Fans viele Jahre gute Spiele sehen.

Gerade durften Fans in Rostock erstmals wieder ins Stadion. Inwieweit ist der Rostocker Weg ein Vorbild für Darmstadt?

Der Fußball bestimmt hier nicht, was geht. Das hängt immer von der politischen Beschlusslage ab. Wenn die es hier zulässt, werden wir neue Konzepte prüfen und versuchen diese umzusetzen. Denn das ist der erste Schritt zurück zur Normalität.

Gibt es im Moment Ansätze in diese Richtung?

Nein. Die Ansätze in Rostock oder bei Union Berlin sind ja Pilotprojekte. Da muss man leider immer auf Sicht fahren und sehen, wie das funktioniert. Und dann können wir überlegen, was wir in Darmstadt machen können.

SSV Jahn Regensburg - SV Darmstadt 98

Hoffen auf ein baldiges Ende der Geisterspiele – Rüdiger Fritsch (rechts) und die Führung des SV Darmstadt 98 Foto: Florian Ulrich/Jan Huebner/Pool

Auf was freuen Sie sich denn am meisten, wenn wieder Zuschauer im Stadion sind?

Auf die Zuschauer (lacht). Auf die Stimmung, auf Gespräche, auf das Abklatschen, auch darauf gemeinsam mal sauer zu sein. Das ist das, was den Fußball ausmacht. Gerade ist dem Fußball die Seele genommen. Aber im Moment müssen wir alle Kompromisse machen.

Sie sind Vereinspräsident, Mitglied im DFL-Präsidium und ganz nebenbei arbeiten Sie auch noch als Anwalt. Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?

Das hat sich alles über die Jahre entwickelt – und damit auch das entsprechende Zeitmanagement. Und wenn die Arbeit Spaß macht, kitzelt man auch manchmal noch ein paar Reserven heraus. Als Vereinspräsidium sind wir hier noch nicht fertig. Gerade in schwierigen Zeiten sollte die Führungsmannschaft an Bord bleiben und das Schiff wieder in ruhige Gewässer führen.

Wann hätten Sie denn das Gefühl, fertig zu sein?

Wir haben in den vergangenen Jahren eine unglaubliche Entwicklung bei der Infrastruktur hingelegt. Das wollen wir zu Ende bringen. Wenn 2022 das Stadion fertig ist, stehen wieder Präsidiumswahlen an. Wir wollen den Verein natürlich seriös übergeben. Das wird sicher einige Zeit dauern. Aber endlos wird die Sache nicht werden, was den Herrn Fritsch angeht.

(Teil 1 des Interviews mit Rüdiger Fritsch über gute Bilanzen und Slapstick-Eigentore findet ihr hier.)

Bildquellen

  • Fussball 2. Bundesliga, SSV Jahn Regensburg – SV Darmstadt 98: Foto: Florian Ulrich/Jan Huebner/Pool
  • Fritsch-01: Arthur Schönbein

5 Kommentare

  • Michael Rossa sagt:

    Gude Stephan,
    ich beneide Dich um Deine Sachlichkeit unn Tiefe in den Fragen!
    Top..aafach Top!!

  • Andreas sagt:

    Welche Sonderrolle nimmt der Fußball ein? Eigentlich keine… die Spiele finden unter Ausschluss von Zuschauern statt. Wenn wir dem Fußball eine Sonderrolle zugestehen, was ist dann mit allen Streaming-Medien, allen Fernsehproduktionen? Haben die auch eine Sonderrolle? Ja, den Gaststätten oder anderen Künstlern geht es nicht so gut, aber ist dies ein Grund, warum es allen genauso schlecht gehen soll, obwohl sie ein Konzept für die Pandemie haben?

    • Michael Rossa sagt:

      Gude Andreas,
      dem Fußball fällt in dieser schweren Zeit die Aufgabe zu, die Menschen trotz Nicht möglichem Stadion besuchen
      zu begeistern & Abzulenken!Ohne das Pushen der Fans, trotzdem volle Leistung zu bringen!
      Das ist für mich, die einzigste Sonderrolle die der Fußball einnimmt!

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