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Silas Zehnder – Sinnbild für die Probleme mit dem Nachwuchs

Silas Zehnder, SV Darmstadt 98

Silas Zehnder, SV Darmstadt 98

Dass Silas Zehnder den SV Darmstadt 98 zum Saisonende verlässt, war vergangene Woche nur eine Randnotiz. Kein Wunder, der einzige Pflichtspieleinsatz des mittlerweile 21-Jährigen für die Lilien liegt bald vier Jahre zurück. Der jüngste Spieler in der Darmstädter Bundesliga-Geschichte steht für die Probleme mit Nachwuchsspielern, die es nicht nur bei den Lilien gibt. Und an den Reaktionen auf den Wechsel werden die auch überhöhte Erwartungen deutlich, die vor allem aus der Sehnsucht nach Identifikation mit Spielern aus der Region gespeist werden. 

Die Fakten: Beim bislang letzten Bundesliga-Spiel der Lilien am 20. Mai 2017 bei Borussia Mönchengladbach (2:2) wechselte der damalige Lilien-Coach Torsten Frings den 17-Jährigen Zehnder in der 89. Minute ein. Es war Zehnders einziger Pflichtspiel-Einsatz für die Lilien. Kurz zuvor hatte Zehnder einen Vierjahresvertrag unterzeichnet.

Danach warf ihn erste eine langwierige Verletzung zurück. Nach der Freistellung seines Mentors Frings hatten weder Dirk Schuster, noch Dimitrios Grammozis oder Markus Anfang Verwendung für Zehnder. Auch bei seiner Ausleihe zu Viertligist Viktoria Aschaffenburg von 2018 bis 2020 konnte er sich – vom Stürmer zum Außenverteidiger umfunktioniert – nicht nachdrücklich für höhere Aufgaben empfehlen.

Silas Zehnder hätte sich empfehlen können

Seit Saisonbeginn ist Silas Zehnder wieder am Böllenfalltor, weil eine weitere Ausleihe im letzten Vertragsjahr nach den Statuten nicht möglich ist. In der laufenden Spielzeit gehörte er bislang in gerade drei Partien zum Kader der Lilien, kam aber nie zum Einsatz. Dabei hatte er sowohl im Training wie auch in den Testspielen die Chance, sich zu empfehlen. Seit einigen Wochen fehlt er komplett, Sprunggelenksprobleme heißt es. Vergangene Woche gab dann Aschaffenburg bekannt, dass Zehnder nach dem Auslaufen seines Vertrages im Sommer zur Viktoria zurückkehrt.

Die Reaktionen auf den Abgang Zehnders im Umfeld des SV Darmstadt 98 wurden dominiert vom Bedauern, dass es wieder ein Spieler aus der Region – Zehnder ist gebürtiger Stockstädter – nicht geschafft hat. Aber es wurden auch Vorwürfe laut, dass der Verein Nachwuchsspielern keine Chance gebe oder diese gar vergraule.

Lieber Dumic (29) als Mai (21)? Wo ist da der Jugendstil?

Letzteres ist jedoch absurd. Denn am Ende zählt die Leistung, nicht die Herkunft. Und die Geduld mit jungen Spielern ist auch im Umfeld der Lilien eher begrenzt – nicht nur, weil man in den vergangenen sechs Jahren eigentlich immer gegen den Abstieg spielte.

Die begrenzte Nachsicht zeigt sich aktuell in der teils harschen Kritik an aktuellen Lilien-Spielern wie Lukas Mai (21) , Adrian Stanilewicz (21) oder Patric Pfeiffer (21). Alle haben eine Ausbildung bei großen Vereinen genossen (Bayern München, Bayer Leverkusen, Hamburger SV) und konnten schon mehrere Jahre auf höherem Niveau trainieren und spielen. Allein deswegen haben sie einen großen Vorsprung vor Zehnder. Der Schritt in den Profifußball ist trotzdem auch für sie groß.

Wer lieber Dumic als Mai hätte …

Wer Spieler wie Silas Zehnder fordert und zugleich statt U21-Nationalspieler Lukas Mai lieber einen (je nach Sichtweise Söldner oder Wandervogel) Dario Dumic (29) hätte, muss sich die Frage gefallen lassen, welche Logik dahintersteckt. Der Wunsch, mit Spielern aus der Region eine Identifikation zu schaffen und gleichzeitig Erfolg zu haben, ist zwar verständlich. Er hat aber wenig mit der Realität zu tun. Selbst bei Topclubs wie Bayern oder Dortmund, die es sich leisten könnten, sind die Jungstars wie die Musialas, Davids, Sanchos oder Haalands keine Spieler aus der Region.

Die Kluft zwischen Jugend und Senioren wird zudem nicht kleiner. Im Gegenteil: Corona macht es noch schwerer. Der Jugendfußball ruht seit über einem Jahr weitgehend, den Nachwuchsspielern fehlt die Wettkampf-Praxis. Und um bei den Profis mitzutrainieren, müssten sie in die regelmäßigen Corona-Tests eingebunden und weitgehend isoliert werden. Das ist nicht immer möglich, gerade wenn die Spieler noch zur Schule gehen.

Scorerpunkt gegen Wehen – Ensar Arslans einzige Sternstunde vergangene Saison, diese Spielzeit noch ohne Einsatz

Die Local Player des SV Darmstadt 98: Nur zwei sind Zweitliga-Spieler

Hinzu kommt, dass junge Spieler auch nicht immer bereit sind, zunächst einen Schritt zurückzugehen. Ein Leon Müller beispielsweise saß in Darmstadt lieber ein Jahr weitgehend auf der Tribüne, ehe er sich doch zur Ausleihe entschied. Und auch ein Ensar Arslan nutzte die Chance zur Ausleihe im Winter nicht, um anderswo im Seniorenbereich Spielpraxis zu sammeln.

Gerade zwei Local-Player der Lilien haben es seit der Rückkehr in den Profifußball in den vergangenen Jahren geschafft, sich in höheren deutschen Ligen durchzusetzen: Marco Komenda (24) landete über die Umwege Sportfreunde Siegen, Borussia Mönchengladbach II und SV Meppen zu Saisonbeginn bei Holstein Kiel. Auch in Darmstadt hatte man sich im Sommer mit der Personalie beschäftigt, weil Komenda in der Defensive vielseitig einsetzbar ist. Bei den Störchen kam er in der laufenden Saison bislang auf zehn Liga-Spiele.

Der gleichaltrige Janik Bachmann wählte den Weg über Hannover II, Chemnitz, Würzburg, Kaiserslautern, um im Januar schließlich beim SV Sandhausen anzuheuern, wo er seitdem alle neun Liga-Spiele absolvierte. Erst nach rund sechs Jahren und über zahlreichen unterklassigen Stationen sind Komenda und Bachmann schließlich in der Zweiten Liga angekommen.

(korrigierte Version, bei Bachmann wird klargestellt, dass er erst im Winter nach Sandhausen kam und dort Stammspieler ist)

Bildquellen

  • Mai_Dumic: Arthur Schönbein
  • SVD-SVWW-2019-20-Corona-blog-022: Arthur Schönbein
  • Ber veröffentlichung ist das Bild mit“Foto: Arthur Schönbein“ zu Zeichnen.: Arthur Schönbein
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