„Wir Lilien. Aus Tradition anders“ lautete das Motto des SV Darmstadt 98 seit dem Bundesliga-Aufstieg 2015. Jetzt hat sich der Verein ein neues Leitbild verpasst, in dem es nur noch „Wir Lilien“ heißt. Die Tradition hat man damit freilich nicht über Bord geworfen und auch als „anders“ sieht man sich nach wie vor, wie die Verantwortlichen klarstellen. Aber der Fokus wurde verschoben – und das aus guten Gründen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen Leitbild, das gerade bei der Mitgliederversammlung präsentiert wurde.
Wieso braucht der SV Darmstadt 98 überhaupt ein Leitbild?
Präsident Rüdiger Fritsch spricht von einem Orientierungsrahmen und einem Grundgesetz. Es gehe um Visionen und das Selbstverständnis sowie um die Werte, mit denen man agieren wolle. Vizepräsident Markus Pfitzner sagt, man habe das in Zeiten von Wandel und Veränderung in Schriftform fassen wollen, um sich daran messen zu lassen. Es gehe auch darum, bestimmte Dinge, die man etwa im sozialen und gesellschaftlichen Engagement erreicht habe, zu bewahren und in die Zukunft zu führen – auch für spätere Lilien-Präsidien.
Grundsätzlich sind solche Leitbilder nichts Ungewöhnliches. Nicht nur Großunternehmen, sondern auch viele kleinere und mittelständische Unternehmen haben ihre Vision, ihre Mission und ihre Werte mittlerweile ausformuliert. Geschäftsführer Martin Kowalewski verweist darauf, dass man die Ambitionen auch an alle Mitarbeiter übertragen wolle. Bei der Entwicklung des Leitbildes wurden verschieden Gruppen einbezogen – sowohl innerhalb des Vereins wie im Umfeld.
Wieso verschiebt sich der Fokus auf „Wir Lilien?“?
Der Doppel-Claim „Wir Lilien. Aus Tradition anders“ enthielt zwei Botschaften und war damit nicht eindeutig. Deswegen hat man sich bewusst dagegen entschieden, ihn konsequent fortzuführen und in den Leitfaden zu übernehmen. Inhaltlich hat man beim SV Darmstadt 98 das Gefühl, dass „Wir Lilien“ den Markenkern des Vereins besser erfasst. Darin steckten Gedanken wie Toleranz oder die Kraft der Gemeinschaft, sagt Kowalewski. Egal ob Mitgliederkampagne oder soziales Engagement: „Es schreit so viel nach ‚Wir Lilien‘, dass es für uns ein logischer Schritt scheint, sich auf diesen Teil zu fokussieren“, sagt Pfitzner.
Was ist das Problem mit „Aus Tradition anders“?
„Aus Tradition anders“ hat polarisiert, wurde manchmal auch herangezogen, wenn etwas nicht geklappt hat. „Jeder Claim hat zu seiner Zeit seine Bedeutung“, sagt Fritsch. Nach der abgewandten Insolvenz und vor dem Hintergrund des maroden Stadions zu Bundesliga-Zeiten sei das passend gewesen. „Man kann die nächsten 100 Jahre in Demut herumlaufen, aber dann wird man irgendwann nicht mehr ernst genommen“, sagt der Präsident. „Aus Tradition anders“ sei oft auch als „Aus Tradition dagegen“ ausgelegt worden, was eine Fehlinterpretation sei.
Als Beispiel nennt Fritsch die neue Gegengerade: Die Leute, die dort früher standen, hätten womöglich gesagt: „Wir machen die nächsten 20 Jahre so weiter. Wir sind nass. Die Wurst ist nass. Ist doch super.“ Aber wenn der Verein das weitergemacht hätte, dann hätte die DFL das Stadion irgendwann zugemacht und man wäre nicht mehr zukunftsfähig. „Den stinkigen Keller, wo sich der Pep Guardiola umziehen musste, hat man nur in Darmstadt gefunden. Aber das war ein punktuelles Thema.“
Pfitzner stellt klar: „Es ist nicht unser Ansatz zu sagen, wir möchten ein Leben lang für Old-School-Football stehen.“ Der Slogan „Aus Tradition anders“ sei Produkt einer Zeit gewesen, in der man das „kleine gallische Dorf“ bemüht oder angesichts der ständig falsch gehenden Dugena-Uhr darauf verwiesen habe, dass die Uhren in Darmstadt anders ticken. „Das hat schon gut gepasst“, sagt er. Aber „Aus Tradition anders“ habe schon damals geheißen: eigene Antworten auf Probleme und Fragestellungen zu finden.
Verabschieden sich die Lilien von der Tradition?
Auf keinen Fall. „Unsere Handlungsmaxime ist die stete Verbindung von Tradition und Moderne“, heißt es unter anderem im Leitfaden. Auch Pfitzner betont, dass „Aus Tradition anders“ nicht komplett verschwinden werde. Es handele sich weder um eine Abkehr von der Tradition noch um neue Linie, sondern um eine Fortführung und Festschreibung.
Kowalewski betont: „In ‚Wir Lilien‘ steckt so viel Tradition. Da müssen wir nicht noch mal extra einen Claim definieren, wo der Begriff Tradition auftaucht.“ Grundsätzlich sei es natürlich wichtig, dass der Verein nicht vergesse, wo er herkomme.
Sind die Lilien jetzt nicht mehr anders?
Das finden die Verantwortlichen nicht. Die Mannschaft für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung (ID) ist ein Beispiel, die Stadionhymne „Die Sonne scheint“ in Gebärdensprache ein anderes. Kowalewski verweist auf die Menschen in Darmstadt und die „extrem positive Bindung“ an den Verein. Pfitzner hebt hervor, dass der Verein sein eigenes Stadion baue und keinerlei Vermarktungsrechte abgetreten habe. Auch der Architektur versuche man, eigenständig zu sein, sagt Fritsch, verweist aber zugleich auf die Grenzen: „Zum Schluss haben wir dann auch eine Haupttribüne mit Logen. Die findet man auch anderswo.“
Grundsätzlich gibt es für Fritsch im System Profifußball bestimmte Zwänge: Wenn die DFL festlegen würde, dass die Vereine für die Sichtbarkeit im Fernsehen nur noch in bestimmten Farben spielen dürften, hätte man nur zwei Möglichkeiten: den Verein abmelden oder mitmachen.
Oft seien auch die Forderungen mancher Fans nicht zu Ende gedacht: Zum Beispiel keine Spieler von Vereinen wie Wehen oder Leipzig zu holen. „Dann holt doch einen anderen“, heiße es dann. Auf die Frage, wen denn dann, laute die Antwort in der Regel: „Weiß ich doch nicht. Irgendeinen.“ Fritsch stellt klar: „Ein Zweck der Veranstaltung ist ja nicht, einfach nur anders zu sein. Die Wahrheit liegt auf dem Platz. Zum Schluss geht es darum, erfolgreichen Fußball zu spielen.“
Top 20? Ist der SV Darmstadt 98 größenwahnsinnig geworden?
Genau lesen. Mit wirtschaftlicher Stabilität wolle man sich „langfristig in der Spitzengruppe der 2. Liga etablieren und die Top 20 im deutschen Profifußball herausfordern“, heißt es im Leitfaden. Man wolle mutiger auftreten, ohne zu sagen, dass der Verein in den nächsten drei Jahren in die Bundesliga aufsteigen werde, stellt Pfitzner klar. Dabei sollten dieses Ziel nicht an tagesaktuellen Ergebnissen festgemacht werden. „Rückschläge werden uns nicht davon abhalten, weiterhin in die Richtung zu gehen“, sagt er. „Die Bereitschaft ist da, sich daran messen zu lassen und den Klub auf die nächste Stufe zu heben.“
Bildquellen
- IMG_9582: Stephan Köhnlein/Lilienblog
- SVD-FCN-2021-22-blog-031: Arthur Schönbein
- Leitbild: Scan, Titelblatt
Firmenname: SV Darmstadt 98
Firmensitz: Darmstadt
Dienstleistung: Profifußball
Vorstand: Präsidium
Mitarbeiter: Fußballer, Betreuer und Verwaltung
Geschäftszweck: Wirtschaftsbetrieb
Sozialgemeinschaft definiert sich über ein privatrechtliches Konstrukt
Der Sozialgedanke wird einem Wirtschaftsgebilde aufgezwungen
Stellt sich die steuerrechtliche Frage ob hier noch der e.V. so noch statthaft ist
Wie bei allen anderen Fußballvereinen innerhalb der DFL Gemeinschaft auch. Die 50+1 Regelung ist ohnehin nur noch Kosmetik. Ich bin für die Abschaffung.
Halte ich so für nicht zutreffend. Der Sozialgedanke (Im Zeichen der Lilie) wird schon seit Drittliga-Zeiten gelebt, seit der 2. Liga mit der PEAK-Partnerschaft erweitert. Da war nichts aufgezwungen. Die Vereinsfrage stellt sich bei allen Profiklubs, bei denen Fußball-Abteilung noch nicht ausgegliedert ist. Für die Beibehaltung der 50+1-Regel hat sich der Verein im Leitbild ausdrücklich positioniert. Tatsächlich haben Sponsoren in Darmstadt – anders als bei anderen Vereinen – nur einen sehr geringen Einfluss. Und so wie ich die handelnden Personen erlebe, wird sich zumindest unter diesem Präsidium daran auch nichts verändern.
Moin.
Die Tradition ist Teil der wirtschaftlichen Vermarktungsstrategie ggü. dem Kunden am Kassenhäuschen, Bier- und Bratwurststand, sowie im Fanshop. Ähnlich einer Biermarke oder Backwaren.
Ich bin nicht gegen diesen Wandel den man nicht mehr aufhalten kann, denn der wurde bereits vor längerer Zeit allgemein in DFL und DFB eingeläutet und mit RB Leipzig integriert, sondern ein Realist mit einigem Hintergrundwissen. Mich ärgert daher dieses Rumgeeiere. Sieh es mal nicht als Kritik an, sondern als konsequente sozialökonomische Logik.
RB Leipzig zum Beispiel hält der DFL und DFB Geschäftsführung den Spiegel vor’s Gesicht.
Fußball ist das Spiegelbild der Gesellschaft. Und diese ist mehr oder weniger längst überall in Stadt und Land durchprivatisiert.
Wei gesagt mich stört diese Entwicklung nicht. Nur bitte auch konsequent sein.
Ansonsten lies noch bitte meine Ergänzung.
Gude,
Nein!!!
Keine Spieler von Wehen,TSG orrer RB!
Rein aus Selbsterhaltungstrieb!!!
Für was haben Wir ein Scouting Team, Herr Fritsch?
Ich glaube Alleine Europa mit seinen vorhandenen Mannschaften bietet Grundlage genug um von solchen „Vereinen“ keine Spieler abnehmen zu müssen!!!
Sie prangert Scheich Achmed Lachnet an, verpflichten awwer im Gegenzug Spieler von Scheich Hoppi!!!
Sry!!
Das is net, OK!!!
Gude Micha,
bei aller Liebe und allem Respekt: Merkst Du nicht, was Du da zusammenschreibst und wie allein Du mit Deiner Hetze gegen Tietz und Deinem Wehen-Leipzig-Hoffenheim-Rassismus bist? Fritsch hat wörtlich über Tietz gesagt: „Wenn der Spieler den SV Wehen gegründet hätte und ihm das Geld geben würde, könnte ich das vielleicht verstehen. Aber was kann der Spieler dafür, dass er bei seinen acht Stationen mal beim Verein XY vorbeiläuft, vielleicht eine Familie hat und auch mal ein paar Euro verdienen muss – so ein Unsinn.“ Und zum x-ten Mal: Tietz kam auch noch ablösefrei aus Wehen, es floss also auch kein Geld aus Darmstadt dorthin.
Du hältst Dodo Stroh-Engel für besser als Tietz? Hast Du mal auf die Zahlen geguckt (Tietz mit 8 Tore in 12 Liga-Spielen)? Und vor allem: Hast Du mal geguckt, wo Stroh-Engel gespielt hat, bevor er nach Darmstadt kam??? In diesem Zusammenhang nochmals meine Frage von vor ein paar Wochen, die du nicht beantwortet hast: Welche Lilien-Spieler aus den vergangenen Jahren sind denn in Deinen Augen wahre und würdige Lilien-Spieler? Bin gespannt.
Eine Ausgliederung des Wirtschaftsbetriebs aus dem E.V. Bereich ist m. M. n. eigentlich überfällig und dient ebenfalls der Transparenz. Im übrigen ist dies kein Malus wie es oft kolportiert wird. Wird sicherlich noch in naher Zukunft passieren.
Übrigens ein guter Artikel der die Kernpunkte darstellt. Danke.
Gude Stephan,
Es geht hier net darum, wen ich für würdig erachte!
Es geht rein vom kaufmännischen Gesantgedanken!
Ich denke das sich die Katze in den Schwanz beißt, wenn Traditionsvereine,
diverse „Vereine?“ in irgendeiner einer Form nur unterstützen!
Ich widerspreche Dir komplett was Tietz betrifft!Es hat Ihn Niemand gezwungen einen Vertrag, bei Wehen zu Unterschreiben!Unn es gibt genügend annere Vereine wo man Gutes Geld verdient!
Vllt habe ich ja keinen Charakter?
Nur ich, würde für solche Retorten Nie spielen!
Auch wenn ich Geld verdienen muss!!
Sry!
Andere Vereine mussten üwwer Jahrzehnte de Bobbes zusammen kneifen um Auflagen in irgend einer Form erfüllen zu können!
Wo hat Wehen, Heimat Halberg, dies selbst erschaffen?Orrer TSG, RB?
Mir am damals die Lizens net gekriegt,Flutlicht glaub ich war der Knackpunkt?Hier werden künstlich Strukturen geschaffen durch kaufmännische unn juristische Tricks!!
Sowas hat im Fußball nix zu suchen!!
Unn jetzt Steine los!!
Doch, es geht fast in jedem Deiner Posts darum, dass Du Tietz für nicht würdig erachtest, bei den Lilien zu spielen …
Wo ist der Ignorier-Button ,ich kann es bald nicht mehr lesen was er schreibt