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Dimitrios Grammozis: Was war und was geblieben ist

Dimitrios Grammozis, SV Darmstadt 98

Dimitrios Grammozis, SV Darmstadt 98

Dimitrios Grammozis war nur 16 Monate als Lilien-Trainer im Amt. Völlig unumstritten war er in dieser Zeit nicht – auch wenn die Mannschaft letztlich unter ihm die beste Saison seit dem Bundesliga-Aufstieg spielte. Nun kommt es beim Auswärtsspiel des SV Darmstadt 98 bei Schalke 04 erstmals zu einem Wiedersehen mit Grammozis. Anlass für einen Rückblick auf die Zeit damals und welche Auswirkungen das für heute hat.

Der Anfang (mit Grammozis)

Im Winter 2019 boten die Lilien ein tristes Bild. Die Mannschaft spielte unattraktiven, defensiven und teils ängstlichen Fußball. Im Verhältnis zu Coach Schuster knirschte es. Die Abstiegsplätze rückten immer näher. Nach dem 1:1 gegen Sandhausen trennte man sich von Schuster, beförderte den bisherigen Sportkoordinator Carsten Wehlmann zum Sportlichen Leiter und beauftragte ihn als erste Amtshandlung mit der Suche nach einem neuen Trainer.

Trainer Dimitrios Grammozis (rechts) und Carsten Wehlmann, SV Darmstadt 98

Nach einer knappen Woche präsentierte Wehlmann Dimitrios Grammozis als Schuster-Nachfolger. Grammozis war aus seiner Zeit als Bundesliga-Spieler leidlich bekannt, hatte als Trainer jedoch bis dahin nur in der zweiten Reihe beim VfL Bochum gearbeitet. Die erste Partie gegen Arminia Bielefeld ging zwar noch verloren, doch schon beim 3:2 gegen Heidenheim erlebte man eine Mannschaft, die schnell umschaltete und dann mutig und wie erleichtert nach vorne spielte.

Unvergessen das 3:2 nach 0:2-Rückstand beim Hamburger SV oder die furiose Abwehrschlacht beim 2:1 in Köln, mit dem der vorzeitige Klassenerhalt perfekt gemacht wurde. Hätte man nur die elf Spiele unter Grammozis gewertet, hätte die Mannschaft auf Rang drei gelegen. Entsprechend hoch waren die Erwartungen für die kommende Saison.

Der Fehler

Der Kader wurde verjüngt, Talente wie Mathias Honsak, Tim Skarke oder Patric Pfeiffer verpflichtet, die heute zum Stamm gehören. Grammozis dachte, auf Routinier Tobias Kempe verzichten zu können, und baute stattdessen auf jüngere Spieler. Das erwies sich als Fehleinschätzung. Kempe war zunächst einige Spiele Joker, fehlte dann vorübergehend sogar ganz im Kader.

Doch seine Routine, sein Stellenwert im Mannschaftsgefüge, seine Standards und seine Torgefahr waren nicht zu ersetzen. Die Punkte blieben aus, die Mannschaft wirkte haltlos und verunsichert. Kempe blieb ruhig, Grammozis revidierte seine Entscheidung. Mit Kempes Rückkehr gab es einen kurzen Schub, doch erst ab Dezember stabilisierte sich die Mannschaft wieder: Auf fünf Unentschieden folgten vier Siege.

Kein Vertrag

Es war der 23. Februar 2020, gerade hatten die Lilien 2:1 beim 1. FC Nürnberg gewonnen und waren zu diesem Zeitpunkt seit acht Spielen unbesiegt. Grammozis war an diesem Tag genau ein Jahr im Amt. „Das ist erwähnenswert in Darmstadt“, sagte der Coach lachend, als er darauf angesprochen wurde.

Ein ausgelassener Tobias Kempe zeigte sich zuversichtlich, was seine Vertragsverlängerung, aber auch die des Trainers anging. „Es wäre natürlich schön, wenn da auch in den nächsten Wochen eine Einigung kommt und wir Spieler auch Gewissheit haben, dass Dimi unserer Trainer bleibt“, sagte Kempe und fügte grinsend an: „Aber ich glaube, der Verein hat das ganz gut unter Kontrolle.“

Drei Tage später teilte der Verein überraschend mit, dass Grammozis seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag nicht verlängern werde. Knackpunkt war die Vertragsdauer. Grammozis wollte mindestens zwei Jahre Laufzeit, der Verein wollte ihm nicht mehr als zunächst ein Jahr geben. Im Nachhinein sicher ein Zeichen dafür, dass man dem Coach nicht zu 100 Prozent vertraute. Nachfolger Markus Anfang erhielt dann einen Kontrakt über zwei Jahre (und war nach einem Jahr schon wieder weg).

Lockdown und Restart

Bis zum corona-bedingten Lockdown waren die Lilien zehn Spiele ohne Niederlage. Der Restart zwei Monate später misslang jedoch. Beim 0:2 in Karlsruhe zeigte die Mannschaft einen blutleeren und uninspirierten Auftritt. Rufe nach einer vorzeitigen Ablösung des Trainers wurden laut. Doch in den folgenden acht Spielen gab es fünf Siege und ein Unentschieden. Kurzzeitig schien sogar der Aufstieg noch möglich. Am Ende landeten die Lilien auf Rang fünf.

Der Anfang (ohne Grammozis)

Während Grammozis über die meiste Zeit fast schon stoisch am 4-2-3-1-System festgehalten hatte, wechselte sein Nachfolger Markus Anfang mehrfach das System. Die Herbstkrise konnte er damit nicht abwenden. Es kam sogar noch schlimmer.

Nachdem die Mannschaft im Winter nach einem abermals uninspirierten Auftritt zu Hause 0:1 gegen Karlsruhe unterlegen war und die Abstiegsränge näher kamen, kehrte man wieder zum Grammozis-System mit zwei Sechsern vor der Abwehr zurück. Anfangs Version lautete, man habe nur den Fokus auf die Defensive verschoben. Hinter vorgehaltener Hand hieß es jedoch, die Mannschaft habe auf die Systemänderung gedrungen. Ergebnis: Die Mannschaft spielte die beste Zweitliga-Rückrunde der Vereinsgeschichte (zumindest laut Verein).

“Eine Trainer-Entscheidung, die von außen damals als ‚mutig‘ betrachtet wurde” – Carsten Wehlmann (rechts) über die Verpflichtung von Dimitrios Grammozis

Was ist geblieben?

Die Beförderung von Carsten Wehlmann zum Sportlichen Leiter war wohl der größte Schritt zur sportlichen Erneuerung und Modernisierung des SV Darmstadt 98 nach dem lange erfolgreichen, aber am Ende abgenutzten Schusterschen Old-School-Fußball. Die Verpflichtung von Dimitrios Grammozis als Coach war ein wichtiger Baustein für diese Erneuerung.

Grammozis’ Credo “Keine Angst vor Fehlern” half vor allem den jungen Spielern, die unter ihm anders als zuvor mehr zum Zug kamen. Spielerisch legte er den Fokus weniger auf den Ballbesitz als vielmehr auf das schnelle Umschaltspiel. Die Erfahrungen unter Anfang, der lange und weitgehend erfolglos auf mehr Dominanz setzte, aber auch jetzt positiv unter Torsten Lieberknecht zeigen, dass das eher dem Naturell der Lilien entspricht.

Wehlmann selbst erklärt heute: “Dimi Grammozis hat mit seinem Trainerteam in seinen anderthalb Jahren bei Darmstadt 98 sehr gute Arbeit geleistet.” Die sportliche Bilanz habe gezeigt, “dass wir mit unserer Trainer-Entscheidung, die von außen damals als ‚mutig‘ betrachtet wurde, richtig gelegen haben”. Beim Spiel gegen Schalke freut sich Wehlmann nun auf das Wiedersehen mit Grammozis, aber auch mit Co-Trainer Sven Piepenbrock und Victor Palsson. Und natürlich wolle man “mit etwas Zählbarem nach Hause fahren”.

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Bildquellen

  • Grammozis: Stephan Köhnlein/Lilienblog
  • FCI-D98-009: Arthur Schönbein
  • SVD-BOC-blog-sonstiges-2019-20-011: Arthur Schönbein
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