Schlechte Verlierer, eine Reizfigur, Rührei und Spione – die Woche mit dem SV Darmstadt 98 aus Sicht von Lilienblog-Autor Stephan Köhnlein.
Sonntag
Aus Nürnberger Vereinskreisen kommt auf, Thomas Isherwood habe sich vor dem von ihm erzwungenen Eigentor zum 2:0 unfair eingesetzt und später in der Club-Kabine dafür entschuldigt. Auf den Fernsehbildern ist nichts von einem Foul zu sehen, Torsten Lieberknecht weiß nichts von dem angeblichen Kabinenbesuch, auch Isherwood selbst dementiert später, verweist darauf, dass er selbst noch im Luftkampf gestoßen worden sei. Bleibt die Frage: Wieso streut man so einen Unsinn?
Montag
Die Lilienblog-Leser wählen Isherwood erstmals zum Spieler des Spieltags. Eine verdiente Wahl für den sympathischen Schweden, der in seinen ersten elf Monaten mehrfach von Verletzungen zurückgeworfen wurde, sich zurückkämpfte und mittlerweile in der Mannschaft festgespielt hat.
Dienstag
Was im Zusammenhang mit dem Nürnberg-Spiel ein wenig unterging, war das Comeback von Marvin Mehlem. Rund ein halbes Jahr war der Mittelfeldspieler mit einer schweren Knieverletzung ausgefallen. Im Gespräch räumt er ein, dass er schon beim Aufwärmen Gänsehaut gehabt habe (nicht wegen der Kälte, sondern wegen der Atmosphäre). Bei seinem Einsatz in der Schlussphase hatte er ein paar gute Offensivszenen. Trotzdem bittet er um Geduld: „Ich weiß, dass ich nicht innerhalb von ein oder zwei Wochen der frühere Marvin vor der Verletzung bin. Das wird noch ein paar Wochen oder vielleicht sogar Monate dauern, bis ich wieder auf 100 Prozent bin.“
Mittwoch
Thomas Isherwood ist so bescheiden, dass er im Mediengespräch einen großen Teil der Zeit damit verbringt, seine Mitspieler zu loben. Er fängt bei Keeper Marcel Schuhen an und geht über Nebenmann Patric Pfeiffer, die Außenverteidiger, die defensiven Mittelfeldspieler, Tobias Kempes magischen Fuß bis zur Offensive mit den Stürmern, die viel nach hinten arbeiten. Ein wunderbares Beispiel für den Teamgeist, der derzeit in der Mannschaft herrscht.
Und noch etwas Hintergrund- und Angeberwissen: Isherwood wird mit „i“ am Anfang ausgesprochen, also nicht „Eisherwood“.
Donnerstag
Die „WAZ“ bringt einen Beitrag über Schalke-Coach Dimitrios Grammozis und befragt mich über seine Zeit beim SV Darmstadt 98. Ich persönlich fand Grammozis als Lilien-Coach insgesamt gut, trotz der weitgehend tristen Hinrunde 2019 und des Fehlers mit der Ausbootung von Tobias Kempe, den er jedoch revidiert hat. Aber ich habe schon damals erfahren, dass es eine relativ laute Opposition gegen „den Griechen“ gab (der gebürtiger Wuppertaler ist).
Egal, wie man ihn als Typ oder sein System sieht: Unterm Strich hat die Mannschaft unter ihm die (bislang) beste Saisonplatzierung seit dem Bundesliga-Aufstieg 2015 erreicht. Insofern kann ich der Auffassung eines Lilien-Internetforums auch nicht folgen, wonach Grammozis „ein (vielleicht guter) Jugendtrainer“ sei, „aber sicherlich keiner, der im professionellen Seniorenbereich verantwortlich sein sollte“.
Freitag
Spionage-Alarm beim SV Darmstadt 98? Mal im Ernst: Dass sich ein Verein über seinen Gegner informiert und vielleicht auch mal dort beim Training vorbeischaut, ist keineswegs ungewöhnlich. Eher ungewöhnlich ist, dass man sich dabei so ungeschickt verhält, wie der Schalker Abgesandte. Vielleicht hatte er ja nicht damit gerechnet, dass nicht einmal eine Handvoll Zaungäste zur öffentlichen Trainingseinheit der Lilien kamen. Da fiel er natürlich besonders auf, als er sich Notizen machte und mit dem Handy filmte.
Lieberknecht und sein Trainerteam nahmen es mit Humor. Sie sprachen den Beobachter an, der laut Lieberknecht errötete, aber bleiben durfte – mit dem Auftrag, später auf Schalke schöne Grüße auszurichten.
Ob die Konsequenz, am Samstag nochmals unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu trainieren, tatsächlich fruchtet, wird sich zeigen. Solche Einheiten sind für die Gegner besonders interessant. Und wer einmal mit einem Scout spricht, erfährt möglicherweise etwas über Tricks, auch dort Einblicke zu erhalten. Da ist man dann schon näher an spionage-ähnlichen Methoden als bei einer öffentlichen Trainingseinheit.
Bei der Vorbereitung der Lilien auf Schalke spielten gebratene Eier eine Rolle. In einem Nebensatz hatte Lieberknecht erwähnt, dass Co-Trainer Ovid Hajou sich an den Herd in der Geschäftsstelle gestellt hatte. Auf meine scherzhaft gestellte Frage, ob es Rühr- oder Spiegeleier gab, bekam ich eine erschöpfende Antwort nicht nur über die unterschiedliche Frühstückskultur bei Spielern und Trainern, sondern auch über die Art der Vorbereitung auf die Partie gegen Schalke.
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Bildquellen
- KSV-SVD-2021-22-blog-0041: Arthur Schönbein
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