Rückblick: Die Woche mit dem SV Darmstadt 98

Krach, Krankheiten und (k)eine Kampfansage – hier wird „der unwichtige Kram noch mal zum Besten geben“ (Zitat), der sich rund um den SV Darmstadt 98 in der vergangenen Woche ereignet hat. Und vielleicht noch ein bisschen mehr. 

Montag

Der neue Keeper Alexander Brunst gibt sich im Interview selbstbewusst und betont, dass er unbedingt spielen will. Ist das eine „Kampfansage“ an Stammtorwart Marcel Schuhen? Kann man so sehen. Wir haben trotzdem auf den Ausdruck verzichtet. Denn was soll er auch anderes sagen? „Ich bin gekommen, um zwei Jahre zu trainieren, mich jedes Wochenende auf die Bank zu setzen und ein regelmäßiges Gehalt zu bekommen?“ Das klänge doch irgendwie komisch. Schön übrigens, dass der Keeper schon den Lilienblog gelesen hat: Er verwies darauf, dass Schuhen nicht umsonst zum Spieler der Saison gewählt worden sei.

Dienstag

Neuzugang Yassin Ben Balla ist vor allem dankbar, dass er nach seiner Verletzung und einem Jahr ohne Einsatz wieder fit ist und einen neuen Arbeitgeber in der 2. Liga hat. Teuer wird der 26 Jahre alte Franzose nicht sein, aber der Königstransfer ist er auch nicht. Eigentlich ist der SV Darmstadt 98 auf der Sechser-Position nämlich gut besetzt. Beim Trainingsauftakt hatte Torsten Lieberknecht selbst noch gesagt, dass man nach dem Abgang von Nemanja Celic „genügend Jungs hat, die die Position schon gespielt haben“. Doch der Trainer kennt Ben Balla aus Duisburg, outete sich als großer Fan des Spielers. An anderer Stelle im Verein hatte man sich da deutlich zurückhaltender vor der Verpflichtung geäußert. Es ist also primär der Wunschspieler Lieberknechts, auch wenn der Coach betonte, dass man die Entscheidung für die Verpflichtung im Team getroffen habe.

Mittwoch

Wir haben Aaron Seydel schon länger vermisst. Nachdem er sich im Trainingslager nach längerer Verletzung wieder herangearbeitet hatte, fehlte er beim Termin für das Mannschaftsfoto in der vergangenen Woche. Der Lilienblog hat beim Verein nachgefragt, denn ohne ein offizielles Statement sind Spekulationen über den Gesundheitszustand eines Spielers nicht angebracht. Profis haben wie alle anderen Menschen auch ein Recht auf Privatsphäre, selbst wenn ihre Verletzungen und Krankheiten oft in der Öffentlichkeit thematisiert werden. Noch bevor der Verein antworten konnte, meldete sich der Spieler selbst bei Instagram und postete ein Bild aus dem Krankenhaus. Erst da ist der Lilienblog in die Berichterstattung eingestiegen. Auch von dieser Stelle nochmals beste Genesungswünsche an Aaron Seydel!

Ebenfalls am Mittwoch beschwerte sich die AfD via Facebook, dass sie von der Mannschaftsvorstellung vor Vertretern aus Wirtschaft und Politik ausgeladen wurde. Begründung von Lilien-Geschäftsführer Michael Weilguny: Die Einladung sei versehentlich an die Partei gegangen. Die grundsätzlichen Auffassungen zu Demokratie und Rechtsstaat passten nicht zu den Standpunkten und dem Werteverständnis des Vereins. „Diese verlogenen Einstellung des LILIENVORSTANDES gegen die AfD-Fraktion_Darmstadt mit einer kurzfristigen Absage zur Mannschaftsvorstellung ist einfach nur zu verurteilen“, schimpfte der AfD-Politiker Siegfried Elbert (Originalzitat mit Grammatikfehler). Die folgenden Reaktionen aus der Lilien-Community auf seinen Post kann man getrost als Shitstorm gegen ihn und seine Partei bezeichnen.

Donnerstag

Bereits am Dienstag hatte es im öffentlichen Training zwischen Lieberknecht und Patric Pfeiffer gekracht. Das kommt öfters vor – nicht nur bei Pfeiffer. Vor dem Hintergrund der aktuellen Vertragskonstellation hat das Thema aber womöglich eine andere Bedeutung als bei einem anderen Spieler. Der Lilienblog hat beide Seiten zu Wort kommen lassen, der Tenor lautete: Man solle den Vorfall nicht überbewerten, Pfeiffer spiele weiter für die Lilien. Das ist allerdings nur eine Momentaufnahme, so viel Realismus sollte man auch haben.

An der Geschichte hat sich eine Diskussion entfesselt, ob Medien überhaupt über solche Themen berichten sollten. Schließlich öffne das Spekulationen Tür und Tor und bringe Unruhe in die Mannschaft, in den Verein und die Fanszene, lautete eine Kritik, die auch schon bei anderen Themen ähnlich geäußert wurde. Ich finde, das Gegenteil ist der Fall: Wenn man Vorfälle verschweigt, die beobachtet wurden, gibt man Spekulationen viel mehr Raum, als wenn man die Beteiligten zu Wort kommen lässt. Der Auftrag von Medien ist es auch nicht, für Ruhe in der Mannschaft, dem Verein oder der Fanszene zu sorgen. Es geht vielmehr darum, den mündigen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich selbst eine Meinung zu bilden.

In dem Zusammenhang gab es auch Kritik an dieser Lilienblog-Rubrik. „Es ist bald Wochenende, dann kommt wieder „meine Woche mit den Lilien“. Dann wird der unwichtige Kram noch mal zum Besten geben“, hieß es da. Selbstverständlich kann jede(r) seine eigene Meinung haben. Ich schreibe diese Rubrik auch, um meine Motivation immer wieder zu hinterfragen. Was mache ich hier eigentlich? Wieso stecke ich so viel Zeit in den Lilienblog, statt etwas Vernünftiges zu tun, womit man auch angemessen Geld verdient? Für die interessierten Leserinnen und Leser kann sich die Lektüre unter Umständen auch lohnen. Wer sich die Mühe macht, sich durch den ganzen Sermon zu kämpfen, kann vielleicht auch mal etwas zwischen den Zeilen herauslesen.

Freitag

Die Lilien sind weg (nach Bingen gefahren). Dagegen ist der gewünschte neue Stürmer gut eine Woche vor Saisonstart noch nicht da. Dass der SV Darmstadt 98 mit späten Stürmertransfers wie Sandro Wagner und Serdar Dursun sehr erfolgreich waren, habe ich bereits mehrfach erwähnt. Und das Vertrauen in Sportchef Carsten Wehlmann und sein Team ist wegen seiner wirklich guten Arbeit bei der Kaderzusammenstellung in den vergangenen Jahren stark gewachsen – sogar bei einigen früheren Kritikern. Was mir in diesem Kontext oft ein wenig zu kurz kommt: Wehlmann sucht zwar in der Regel die Spieler und schlägt sie vor, verpflichtet sie aber nicht allein. Das ist wie zum Beispiel bei Ben Balla (mehr oder weniger) eine Teamentscheidung aller Verantwortlichen.