Der dritte Teil unserer Serie über die Geschichte des SV Darmstadt 98 schildert unter anderem die Suche des FK Olympia nach einem Zuhause.
Die Vertreibung durch den Schäfer führte die Spieler des FK Olympia zum Exerzierplatz des Dragonerregiments nach Weiterstadt. Das dortige Spielfeld war nicht komfortabel und relativ sandig, aber man hatte absolute Ruhe, keine störenden Schäfer, Polizisten, Anwohner oder Zuschauer. Auch die Verbände mit ihrem strengen und einengenden Regelwerk waren weit weg. Man machte sich seine Regeln teilweise selbst. Auch das Spielsystem war von ergreifender Schlichtheit. Aus dieser Zeit ist folgende Taktik unserer Pioniere überliefert: „Bei uns werrd grundsätzlich net gemauert, verstanne? Mir spiele nor offensiv! Meege hinne noch soviel enei geh’n, dann mache mer ewe aans mehr wie die annern un des langt dann uff alle Fäll!“
Von Exerzierplatz zu Exerzierplatz
Die Zeit auf dem Weiterstädter Cavallerie-Exerzierplatz ging zu Ende. Die Strapazen des Tortransportes waren groß, der Weg nach Weiterstadt relativ weit, so dass man froh war nach Anmeldung beim Süddeutschen Fußballverband von der Riedbahn auf den Darmstädter Exerzierplatz (dem Exert) wechseln zu können. Der Exert lag im Geviert von heutiger Hindenburgstraße, Holzhofallee, Berliner Allee und Rheinstraße.
In dieser Zeit gab es mehrere Darmstädter Fußballmannschaften beziehungsweise –vereine, die auch auf dem Exert kickten. Zu ihnen zählten, zum Beispiel der Darmstädter Fußballclub 1897, FC Viktoria 1900, FC Kickers, die Hassia und der FC Germania 1903. Durch freundschaftliche Verbundenheit mit der Besitzerin des Hotels Merz, die den 98ern das Lagern der Torstangen im Garten ihres Hotels gestattete, entfiel der lästige Tortransport. Das Hotel lag in der Rheinstraße Ecke Hindenburgstraße gegenüber der Kunsthalle und man musste die Tore nur über die Straße tragen um auf den Sportplatz zu gelangen. Auf dem Exert gab es mehrere Sportfelder und eine große Festhalle, die zum 21. Mittelrheinischen Musikfest 1893 erstmals genutzt wurde, mehreren Tausend Zuschauern Platz bot und 1927 neu erbaut wurde. In ihr wurde auch das erste Hallenhandballländerspiel Deutschlands ausgetragen.
Ausländerintegration schon in den Gründungsjahren
In der Zeit auf dem Exert mauserte sich der FK Olympia zu einem guten Zweit-, zwischenzeitlich auch zu einem Erstligisten. Bis 1905 war der DFC 97 immer der führende Darmstädter Fußballklub, der überwiegend erstklassig spielte und der viele hervorragende Ausländer (u.a. aus Griechenland, England, Spanien und Ungarn) in seinen Reihen wusste und überwiegend aus gut situierten Gymnasiasten und Studenten bestand. Nach einer deftigen 0:5-Schlappe gegen die Olympianer löste sich der DFC aber auf und mehrere Spieler schlossen sich dem FK Olympia an. Ausländerintegration war schon in den Gründungsjahren eine Selbstverständlichkeit bei den 98ern.
Auch die Kickers und Germania 1903 sowie Viktoria Darmstadt 1900 lösten sich auf, um dann im Darmstädter SC 1905 neu zu entstehen. Während die Olympianer aus Realgymnasiasten mit mindestens mittlerer Reife bestanden, rekrutierte der SC 05 seine Mitglieder aus der Handwerker- und der Arbeiterschaft. Der Verein residierte auf einem Sportgelände zwischen Windmühle und der Strauß & Wolf GmbH, der Lumpensortieranstalt in der damaligen Gräfenhäuser Straße 75. Der Sportplatz der SCler war ebenfalls eine ehemalige Radrennbahn. Hier wurde Fußball gespielt und Leichtathletik betrieben. Der SC spielte dort bis 1912.
Ein spendiertes Vereinsheim und regelmäßige Überflutungen
Dann wechselte er auf das Gelände am Alten Schießhaus. Dieses stand – wie im Darmstädter Stadtlexikon nachzulesen ist – von 1830 bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts südlich des Alten Friedhofs auf dem Gelände der heutigen Georg Büchner-Schule. Der SC 05 hatte hier einen schönen Fußballplatz, der allerdings fortwährend darunter litt, dass der Grundwasserspiegel sehr hoch war und das Feld regelmäßig überflutet wurde. Die Darmstädter Brauerei Fay spendierte den SClern ein eigenes Vereinsheim. Dieser schlichte Holzbau sollte 1921 zum Wechsel an das Böllenfalltor abgebaut und am neuen Stadion wieder aufgebaut werden, wo es den Kern der Vereinsgaststätte Jung darstellte, die dann über Jahrzehnte Bestand hatte.
Am 22. September 1912 bestritt er das Eröffnungsspiel gegen 1. Fußballclub Germania Frankfurt 1884, der als Vorgängerverein von Eintracht und FSV Frankfurt damals eine große Nummer war. Der SC 05 mauserte sich zu einem angesehenen Sportclub, in dem neben Fußball auch erfolgreich Leichtathletik betrieben wurde. Die Fußballer des DSC bestritten auch im Mai 1908 das Spiel zur Stadioneröffnung beim neu gegründeten SV Waldhof-Mannheim, das die Darmstädter trotz „infernalischer“ Hitze souverän mit 1-4 gewannen.
Rippchen und Kraut im Übermaß
1909 wechselte der FK Olympia 98 vom Exert auf die Radrennbahn an der Heidelberger Straße. Am 04. September fand das Sportplatz-Eröffnungsspiel gegen Pfalz Ludwigshafen statt. Sein erstes internationales Spiel trug der FK Olympia 98 am zweiten Weihnachtsfeiertag 1910 auf der Radrennbahn aus. Dort besiegte man den aktuellen Französischen und Pariser Meister Athletic de Paris Vitry glänzend mit 5-0. Möglicherweise aufkommender Groll der Gäste wurde durch charmante Reden des dem Französischen mächtigen Karl Grünewald und eine gastfreundliche Einladung in das Vereinslokal, dem Hessischen Hof in der Wilhelminenstraße, im Keim erstickt. Die Franzosen amüsierten sich prächtig und vertilgten laut Überlieferung Rippchen mit Kraut im Übermaß, während sich unser Torwart mit einem Kringel Fleischwurst begnügte.
Auf der Radrennbahn fanden auch mehrfach die Spiele um den prominenten Großherzogspokal statt, den unter anderem der TSV 1860 München aber eben auch der FK Olympia mit seiner 3×1000 Meter Staffel gewann. Dieser Pokal steht heute noch im Gründerhaus Am Schlossgartenplatz 10.
Die Leichtathleten des FKO auf der Radrennbahn, ca. 1915
Thomas Spengler und Mignon Löffler-Ensgraber beleuchten für den Lilienblog in einer siebenteiligen Serie die Geschichte des SV Darmstadt 98.
Im vierten Teil geht es um den Ersten Weltkrieg und die Herkunft der Wappen-Lilie.
Alle Beiträge auf einen Blick:
- Teil 1: Die Sache mit dem Datum
- Teil 2: Kicken am Schlossgartenplatz
- Teil 3: Die Zeit auf dem Exerzierplatz
- Teil 4: Erster Weltkrieg und die Lilie
- Teil 5: Zweiter Weltkrieg und Neubeginn
- Teil 6: Die größte Krise der Vereinsgeschichte
- Teil 7: Viel mehr als nur Fußball
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Bildquellen
- Mannschaft6_VHR: Vereinshistorisches Referat des SV Darmstadt 98
- Stadtplan7_Stadtarchiv_DA: Stadtarchiv Darmstadt
- Schießhaus8_Stadtarchiv#: Stadtarchiv Darmstadt
- Eröffungsspiel9_VHR: Vereinshistorisches Referat des SV Darmstadt 98
- Mannschaft11_VHR: Vereinshistorisches Referat des SV Darmstadt 98
- Leichtathleten13_VHR: Vereinshistorisches Referat des SV Darmstadt 98