Der vierte Teil unserer Serie zur Geschichte des SV Darmstadt 98 befasst sich mit der Zeit im Ersten Weltkrieg und der Entstehung des Vereinswappens.
Im Ersten Weltkrieg hatten die Fußballvereine zunehmend Probleme, Mannschaften zu bilden und Spiele auszutragen. Gleichwohl ging der Sportbetrieb – wenn auch stark eingeschränkt – weiter. Viele junge Männer waren im Kriegsdienst oder starben auf den Schlachtfeldern. Dies führte dazu, dass der FK Olympia 98 und der Darmstädter SC 05 eine Spielgemeinschaft bildeten, die nachhaltige Wirkung entfalten sollte.
Zwar trennte man sich nach Kriegsende wieder aber die anhaltenden personellen und finanziellen Probleme ließen den Gedanken reifen, ob man sich vielleicht doch zusammentun sollte. Und dies, obwohl die Mitglieder beider Vereine aus unterschiedlichen sozialen Schichten stammten: Die Studenten und Gymnasiasten beim FK Olympia einerseits und die Handwerker und Arbeiter beim SC 05 andererseits. Dieser Gedanke sollte das Erfolgsmodell des Darmstädter Fußballs werden, da es eine nicht zu überschätzende integrative Kraft entfalten sollte, die noch bis heute nachwirkt und besteht. Es bleibt zu wünschen und zu hoffen, dass dieses Erfolgsmodell niemals ad acta gelegt wird.
Fusion war nicht unbedingt eine Liebesheirat
Am 11. November 1919 wurde nach den Wirren und Einschnitten des Ersten Weltkrieges zwar keine Liebesheirat gefeiert, aber eine Vernunftehe eingegangen. Die bis dahin in schwarz-weißen Farben und mit einem in Jugendstilschrift gehaltenen „O“ als Logo auftretenden Olympianer und die in schwarz-roten Farben und einem roten hessischen Löwen auftretenden SCler fusionierten zum SV Darmstadt 98, dessen Vereinsfarben blau-weiß sind und der sich die weiße Lilie als Vereinsemblem gab. Sowohl die Vereinsfarben als auch die Lilie gehen auf Farben und Wappen der Stadt zurück. Blau ist die liturgische Farbe der Jungfrau Maria, weiß die Farbe der Reinheit sowie des Guten und die (Madonnen-)Lilie Mariens Symbol, das für Unschuld und Reinheit steht.
Die stilisierte Vereinslilie schuf der 98er Sportsmann und bekannte Darmstädter Grafiker Hartmuth Pfeil, der sie in vielen Versionen darstellte.
Insgesamt hatte der fusionierte Verein 700 Mitglieder, 402 vom FK Olympia und 298 vom DSC. Die Spielstätte des neuen Vereins war zunächst die Radrennbahn an der Heidelberger Straße. Der Darmstädter Tennis- und Eisclub geriet – wie viele andere auch – in der Folge des Krieges in wirtschaftliche Probleme, so dass er nicht alle seine Liegenschaften halten konnte. Dies führte letztlich dazu, dass der SV 98 in Kooperation mit dem Darmstädter Schwimmclub „Jung Deutschland“ (heute DSW), der neben Schwimmen im Sommer auch Hockey im Winter anbot, das Stadion am Böllenfalltor baute. Dieses wurde im Rahmen einer Sportwoche anlässlich des 21. Verbandstages des Süddeutschen Fußballverbandes mit einem Spiel gegen Helvetia Frankfurt am 24. Juli 1921 eröffnet. Helvetia Frankfurt 02, aus dem später Rot-Weiß Frankfurt hervorging, war damals ein herausragender Gegner, ebenso wie der FC Freiburg, gegen den am letzten Tag des Verbandstages gespielt wurde. Beide Spiele gewann der SV 98 übrigens.
Ein Stadion für knapp 240.000 Mark
Das Stadion kostete damals 239.250 Mark, hatte eine Laufbahn für leichtathletische Wettkämpfe und eine 80 Meter lange Holztribüne. 1924/25 wurde es erstmals erweitert, finanziert u.a. durch eine Verlosung unter der Schirmherrschaft des hessischen Innenministeriums. Erster Preis des Loswettbewerbs war ein Motorrad, zweiter Preis eine Küche.
In einem Sonderheft zur Sportwoche heißt es unter anderem: „Hohe Anerkennung gebührt auch allen Stiftern, der Stadtverwaltung und dem Stadtparlament, das die ersten Mittel aus dem Geld für produktive Erwerbslosenfürsorge in reichem Maße zur Verfügung stellte. Hand in Hand aber können alle vor die mächtig anzusehende Menge der Sporttreibenden treten und auf ihr Werk und ihre Mitarbeit daran stolz sein: die Schöpfer (gemeint sind Fritz Schreiber und Josef Schröck), der Verein und die Stadt.“ Nicht zuletzt dieses Zitat ist Zeugnis einer quasi symbiotischen Beziehung zwischen Stadt und Verein. Wenn Not am Mann war, war die Stadt für den Verein da aber wie man sieht, auch umgekehrt. Beide halfen sich schon immer gegenseitig. Und das nicht nur nach den beiden Weltkriegen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Beziehung nie aufgekündigt wird.
Thomas Spengler und Mignon Löffler-Ensgraber beleuchten für den Lilienblog in einer siebenteiligen Serie die Geschichte des SV Darmstadt 98.
(korrigierte Version, Stadionpreis in Mark, nicht Reichsmark)
In Teil 5 geht es um die Zeit im Zweiten Weltkrieg und den anschließenden Neubeginn.
Alle Beiträge auf einen Blick:
- Teil 1: Die Sache mit dem Datum
- Teil 2: Kicken am Schlossgartenplatz
- Teil 3: Die Zeit auf dem Exerzierplatz
- Teil 4: Erster Weltkrieg und die Lilie
- Teil 5: Zweiter Weltkrieg und Neubeginn
- Teil 6: Die größte Krise der Vereinsgeschichte
- Teil 7: Viel mehr als nur Fußball
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Bildquellen
- Anzeige14_DA_Tagblatt: Darmstädter Tagblatt
- Lilie15_VHR: Vereinshistorisches Referat des SV Darmstadt 98
- Pfeil16_VHR: Vereinshistorisches Referat des SV Darmstadt 98
- Lilien17_VHR: Vereinshistorisches Referat des SV Darmstadt 98