Lilienblog-Autor Frank Horneff über sein verspätetes Lilien-Tattoo – acht Jahre nach seinem ersten Versprechen.
Im Mai 2015, kurz vor dem Bundesliga-Aufstieg, war es das heimische Garagentor in der Heimstättensiedlung: Zwei Tage vor dem legendären 1:0-Heimsieg gegen St. Pauli war das Tor mit weißer Lilie auf blauem Grund verziert. Das Motiv (heute von einem Seitenanbau verdeckt, aber noch da) schaffte es sogar in die regionale Tagespresse und ins Buch „100 Dinge über Darmstadt, die man wissen sollte“.
In ein Darmstadt-Buch wird es Lilienblog-Autor Frank Horneff mit seinem neuesten Lilien-Motiv vermutlich nicht schaffen: das Lilien-Tattoo, angebracht oberhalb des rechten Knöchels (Innenseite). Aber auch dieses Motiv hat eine Geschichte: An jenem 24. Mai 2015, als Tobias Kempe mit seinem Treffer zum 1:0-Heimsieg den SV 98 in die Bundesliga schoss, verkündete unser Autor vollmundig, dass es nun Zeit sei für ein Lilien-Tattoo.
Erst acht Jahre später schließlich sollte es soweit sein. „Hat sich vorher nicht ergeben“, sagt er heute eher zurückhaltend. Aber Tobias Kempe, für unseren Autor nicht erst seit seinem Siegtreffer gegen St. Pauli einer seiner ganz persönlichen Lilien-Helden, hatte bei der fulminanten Aufstiegsfeier auf dem Karolinenplatz an Pfingstmontag dazu aufgefordert, dass sich der Lilien-Anhang nach der grandiosen Saison ein entsprechendes Tattoo stechen lassen möge. „Wenn Tobi das sagt, mache ich das jetzt, wenn auch acht Jahre und einen Bundesliga-Aufstieg später“, kündigt Frank Horneff bei Familie und Freunden an – und erntet ein müdes Lächeln. Bis zum 10. Juni 2023.
Ein Erlebnisbericht:
Eigentlich bin ich zu alt. Fast 54. Und jetzt komm‘ ich mit ’nem Tattoo. Aber ich habe längst gelernt: „Age is just a number“ – also warum nicht? Seit Tagen verfolgen mich Lilien-Tattoos in meiner Social-Media-Timeline – so, als sollte es so sein. Außerdem: Wenn Tobi Kempe, einer meiner Lilien-Helden, so freundlich bittet? Also gut: Ein Motiv aus einem Tattoo-Studio in Bessungen gefällt mir gut. Blackngrey soll es sein. Ich schreibe den Tätowierer via Social Media an – die Antwort kommt umgehend. Termin Samstag in acht Tagen. „Ersttäter“ sei ich, schreibt er mir, ich solle ruhig Zeit mitbringen.
„Wir besprechen das alles“, sagt der Mann, dem ich am Samstag, 10. Juni um 13:20 Uhr in seinem Studio gegenüberstehe. Freundlicher Typ, im „Dumusstkämpfen„-T-Shirt. Wenige Meter vom Elternhaus von Johnny Heimes entfernt. Noch so eine Lilien-Legende. Wir waren Freunde. Noch ein Grund mehr. Ich ziehe das jetzt durch. Als Speedy sei er in Fankreisen bekannt, sagt der Mann, dem ich in wenigen Minuten einen Teil meiner Haut anvertraue. Ich fühle mich wohl in der derselben – und das wird auch so bleiben.
Motivauswahl, umfassende Aufklärung. Ab auf die Liege. Bein hochlagern. „Mach’s Dir bequem“, sagt Speedy. Der hat die Welt gesehen, erzählt aus seinem Leben mit reichlich Tattoo-Erfahrung. Das gibt mehr und mehr Gewissheit, richtig zu sein. Samstag, 10. Juni, 13:38 Uhr. Speedy, der mit richtigem Namen Ziyad heißt und Deutsch-Libanese ist, legt los. Es ist nicht so, dass ich nichts spüre – aber so richtig Schmerz ist das nicht. Allmählich entsteht die Lilien-Kontur auf meiner Haut. Speedy hat viel zu tun, sagt er. „Heut‘ Vormittag hatte ich eine Frau, die war 74, die wollte auch eine Lilie“, berichtet er.
„Age is just a number – sag‘ ich doch! (Nein. Das sagte meine Journalisten-Kollegin Loana, damals, als ich fünfzig wurde. Wie recht sie hat, zeigt sich also fast vier Jahre später noch in einem Bessunger Tattoo-Studio.)
Die Lilie prangt jetzt auf der Haut, Speedy macht sich ans ausmalen im Blackngrey-Style. Und für die Schattierungen gibt es weiße Farbe durch die Nadeln. Speedy erzählt von seiner eigenen Lilien-Geschichte, seinen zwölf Jahren bei der Bundeswehr, vom Boxen am Ziegelbusch. Viele Erinnerungen haben wir mit unseren 98ern gemeinsam. Und wir schätzen Tobi Kempe. Nicht etwa, weil er Darmstädter Tattoo-Studios in diesen Tagen womöglich einen Lilien-Boom beschert hat. Nein. Wir schätzen ihn, weil Tobi Kempe für unsere Lilien steht wie nur wenige Akteure in den vergangenen Jahren. „Tobi ist ein Typ und auf Typen kommt es an, gerade jetzt, wenn wir wieder Bundesliga spielen“, sind Speedy und ich uns einig. Samstag, 10. Juni, 15:13 Uhr. Es ist vollbracht. Mein erstes Tattoo. Eine Lilie – was sonst?
Speedy fragt nach einem Foto. „Facebook ist die beste Werbung.“ Stimmt. Ich bin ja auch hier. Schnell ist die Lilien-Flagge untergelegt und das Foto gemacht. „Schön geworden, gute Arbeit, Speedy“ – ich bin zufrieden. Speedy sagt, er hätte der Farbe unter meiner Haut ein Suchtmittel beigemischt – und lacht. „Vielleicht kommst Du ja wieder?“
Wir verabschieden uns. Speedy sagt: „Bis bald.“ Vielleicht komme ich ja tatsächlich wieder. Kommt drauf an, was die Lilien so liefern. Und was Tobi dann sagt.
Über den Autor:
Frank Horneff, Jahrgang 1969, war erstmals am 30. Dezember 1978 beim 3:1-Bundesliga-Heimsieg des SV 98 gegen den VfL Bochum im Stadion am Böllenfalltor. Er war von 1992 bis 2014 ehrenamtlich für den SV 98 in der Presse-und Öffentlichkeitsarbeit tätig, schrieb einst für den Lilienkurier und moderierte bis 2014 Spieltags-Pressekonferenzen. Frank Horneff zählte 2007 bis 2009 zur „Lilien-Task-Force“, dem Koordinationsteam um den damaligen Lilien-Präsidenten Hans Kessler. Seit März 2021 schreibt der gelernte Journalist für den Lilienblog.
Bildquellen
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- Frank Horneff: Foto: Guido Schiek / VRM Bild
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