Christoph Zimmermann hat fünf Jahre für Norwich City gespielt, den kommenden Testspielgegner des SV Darmstadt 98. Er ist mit den Engländern zweimal in die Premier League auf-, aber auch zweimal postwendend wieder abgestiegen. In einer Medienrunde vor der Partie am Mittwoch (Anpfiff 18.30 Uhr am Böllenfalltor) sprach der 30 Jahre alte Abwehrspieler über Parallelen zwischen beiden Vereinen, erklärte, was die Lilien besser machen müssen, um die Klasse zu halten und ging auch darauf ein, welchen Einfluss die Wechselspekulationen um Angreifer Phillip Tietz auf die Vorbereitung haben.
Christoph, knapp eine Woche seid ihr jetzt im Training. Wie müde sind die Muskeln Knochen? Oder spürt ihr das erst später?
Nein, das setzt sofort ein. Man geht vom linearen Laufen mit Laufplan aus der trainingsfreien Zeit wieder zum Fußballspielen, zu komplexen Abläufen mit einem anderen Untergrund. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich: Waden und Adduktoren müssen sich erst mal wieder dran gewöhnen. Und das geht vom ersten Tag an los.
Am Mittwoch steht für euch der erste Härtetest der Vorbereitung gegen Norwich an. Du hast fünf Jahre in Norwich gespielt. Sicher ein besonderes Spiel für dich …
Das war für mich schwer zu glauben, als ich das auf dem Vorbereitungsplan gesehen habe. Es gibt so viele englische Mannschaften, gegen die man spielen könnte. Ich wusste nicht, dass Norwich hier in der Nähe ist. Natürlich spielt auch die Vergangenheit von Norwich-Trainer David Wagner in Darmstadt eine Rolle. Ich bin erst seit knapp einem Jahr aus Norwich weg. Von daher kenne ich noch rund 80 Prozent des Kaders und des Staffs. Neben einem wichtigen Testspiel ist es für mich auch ein Wiedersehen mit alten Freunden und der eigenen Vergangenheit. Da freue ich mich extrem darauf.
In deiner Zeit in Norwich hatte der damalige Trainer Daniel Farke zahlreiche Deutsche dorthin geholt. Wie kritisch haben die Leute auf die vielen „Krauts“ geguckt?
Den Ausdruck „Krauts“ habe ich dort zum Glück nicht vernommen. Allerdings gab es so einen Punkt in der zweiten Saison, als wir in der Spitze zehn bis zwölf deutschsprachige Spieler hatten, wo ich bei Neuverpflichtungen gedacht habe: Jetzt aber mal keinen Deutschen. Man macht sich dadurch natürlich angreifbar, wenn es nicht funktioniert. Allerdings haben wir in der Saison eine überragende Runde gespielt und sind aufgestiegen. Da heiligt der Zweck dann die Mittel. Heute sind die Deutschen von damals weg – bis auf den Deutsch-Kubaner Onel Hernandez. Die Zeit ist zu Ende. Aber ich glaube, es ist auch eine Zeit, die den Fans dort sehr gut in Erinnerung geblieben ist, weil die Fannähe durch die vielen Deutschen ausgeprägter wurde. Dass wir wie letzte Saison hier am Böllenfalltor nach den Spielen noch lange mit den Fans gefeiert haben, ist etwas, was in England nicht so üblich ist.
Schlagen wir den Bogen von Norwich nach Darmstadt: Siehst du Parallelen zwischen dem Premier-League-Aufsteiger Norwich damals und dem Bundesliga-Aufsteiger Darmstadt heute?
Sowohl der erste Aufstieg mit Norwich war nicht so geplant und zu erwarten wie auch der Aufstieg vergangene Saison mit Darmstadt. Da hatten viele Experten sicher auch andere Vereine auf dem Zettel als uns oder Heidenheim. Insofern gibt es da schon eine Parallele. Das betrifft auch die finanziellen Mittel und die Akzeptanz der beiden Vereine in der 1. Liga. Das gilt es, jetzt in Darmstadt anzunehmen. Und zwar besser als Norwich. Da habe ich gelernt, wie es nicht funktioniert.
Was müsst ihr denn in Darmstadt genau besser machen als in Norwich?
Wir hatten hier einen sagenhaften Teamspirit in der vergangenen Saison. Und so gut der auch war: Wir sollten uns bemühen, dass er noch besser wird und wir als Mannschaft noch enger zusammenrücken. Natürlich ist es leichter, im Erfolg zusammen zu stehen. Aber wir wissen, dass wir in der Bundesliga nicht wieder 67 Punkte holen werden. Gerade in Phasen, in denen nicht immer die Sonne scheint, zeigt sich, wie stark der Zusammenhalt Bestand hat. Nach dem Marktwert oder anderen harten Zahlen auf dem Papier werden wir es schwer haben. Deswegen müssen wir über die Softskills kommen: ein Team sein, es jedem Gegner unangenehm machen und eklig sein – so dass die dann sagen: Oh nee, wir müssen gegen Darmstadt spielen.
Du sprichst über den Teamspirit. Inwiefern schadet es diesem, wenn Spieler mutmaßlich auf dem Sprung sind wie gerade Phillip Tietz?
Es gibt Dinge, die wir beeinflussen können und Dinge, die wir nicht beeinflussen können. Ich habe in der Sommerpause von den Gerüchten um ihn gehört. Natürlich hat man damit Berührungspunkte. Aber ich sehe es so: Wir werden am Ende der Transferperiode sehen, wer da ist und mit wem wir die Spiele bis zum Winter bestreiten. Fußball ist so schnelllebig. Es ist schwer planbar. Grundsätzlich kann natürlich jeder seine Meinung dazu haben. Aber wir sollten darauf nicht irgendwelche Energien zu verschwenden, weil es nicht produktiv ist. Es ist Teil unseres Jobs. Damit haben wir professionell umzugehen.
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Bildquellen
- SGF-SVD-vizemeister-2022-23-blog-0011: Arthur Schönbein