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Gastbeitrag: Lilien vornerum noch naggisch

SV Darmstadt 98 - Norwich City

SV Darmstadt 98 - Norwich City

Lilienblog-Leser Robert Grobe hat sich intensiv mit der Situation beim SV Darmstadt 98 zur neuen Saison auseinandergesetzt und einen Gastbeitrag verfasst:

Nach der vergangenen erfolgreichen Zweitligasaison haben Patric Pfeiffer (Abwehr) und Phillip Tietz (Sturm) den SV Darmstadt 98 verlassen. Sie folgten dem Ruf des Geldes und schlossen sich dem FC Augsburg an. Besonders der Abgang von Tietz dürfte den Kader nachhaltig schwächen, denn unabhängig von den Umständen seines Abschieds war der Angreifer Identifikationsfigur für viele Fans, meist über jede Kritik erhaben und Führungsspieler.

Aus dem Umfeld der 98er ist zu hören, dass die Vereinsführung den Wert von Tietz, dessen Vertrag 2024 ausgelaufen wäre, nicht so hoch eingeschätzt habe, um auf die gebotene Ablöse zu verzichten. Zudem ist der Klub laut Präsident Fritsch auf Transferüberschüsse angewiesen. Nimmt man Luca Pfeiffer in der Vorsaison dazu, dann verließen die Lilien insgesamt 44 Tore und 20 Assists.

Phillip Tietz muss beim SV Darmstadt 98 ersetzt werden 

Der SV Darmstadt 98 ist also auf die Verpflichtung von mindestens einem bundesligatauglichen Stürmer und das in der Vergangenheit oft glückliche Gespür von Sportchef Carsten Wehlmann angewiesen, um diese gravierenden Abgänge zu kompensieren. Denn den verbleibenden Stürmern ist nicht unbedingt zuzutrauen, die entstandene Lücke zu schließen. Das größte Problem dürften hierbei die sehr knapp bemessenen Mittel sein. Möglicherweise ist deshalb auch eine Leihe eine Option.

Ersatz aus Liga zwei? Wer den Lilien helfen könnte

Bei den Lilien täte man gut daran, sich in der 2. Liga nach Ersatz umzuschauen. Denn in dieser Liga laufen regelmäßig Offensivspieler auf, die sich in der Vergangenheit eine Etage höher durchsetzen konnten: Kevin Behrens (Union Berlin), Philipp Hofmann (VfL Bochum) und Linton Maina (1.FC Köln) sind nur drei Beispiele. Möglicherweise täten den Lilien Neuzugänge wie Julian Green (Spvgg Greuther Fürth), Tatsuya Ito (1. FC Magdeburg, ähnelt in seiner Spielweise und Position dem abgewanderten Bennetts, ist jedoch leichtfüßiger und wendiger), Elias Saad (FC St. Pauli) oder Havard Nielsen (Hannover 96, ihn kennt Trainer Torsten Lieberknecht aus Braunschweig und Duisburg) als Wandspieler gut. Zu bezahlen dürften sie sein.

Die katastrophale Torausbeute in den Testspielen nicht nur gegen höherklassige Gegner mehrt zudem den Verdacht, dass die Offensive durch (fehlgeschlagene) Umstellungen ungewollt und zusätzlich geschwächt wurden. Möglicherweise verordnete Lieberknecht der Mannschaft eine auf noch mehr Sicherheit ausgerichtete Taktik, was eine Ursache für die Null -Tore-Flaute sein könnte in vier der sechs Spiele sein könnte. Es bleibt abzuwarten, ob der bisher einzige neu verpflichtete schottische Stürmer Fraser Hornby die Flaute beenden wird. Er kam vom belgischen Erstligist KV Ostende und erzielte in 21 Spielen acht Tore.

Reicht es bei Kempe noch für die Bundesliga?

Fraglich ist auch, ob Lilien-Denkmal Tobias Kempe noch Bundesligaformat hat. Derzeit scheint es, dass Marcel Mehlem allein aus seiner Mittelfeldposition heraus dafür verantwortlich sein wird, das Darmstädter Angriffsspiel zu inszenieren und die Angreifer in Position zu bringen. Ihn unterstützen könnte der verletzungsanfällige Mathias Honsak. Ob das derzeit vorhandene Personal im offensiven Mittelfeld ausreicht, bleibt es abzuwarten.

Angreifer Aaron Seydel haben die Verantwortlichen nahegelegt, sich einen neuen Verein zu suchen. Oscar Vilhelmsson ist zwar hochbegabt, ob es jedoch jetzt schon für die Bundesliga reicht, muss der Spieler beweisen. Er wurde in der vergangenen Saison durch mehrere Verletzungen zurückgeworfen. Daher geht es für Vilhelmsson eher darum, Einsatzzeiten zu bekommen. Ein Stammplatz scheint zunächst unwahrscheinlich.

Schlüsselrolle für Schuhen

Eine wichtige Stütze und Leistungsträger sollte Führungsspieler Marcel Schuhen in der Bundesligasaison werden. Kann man ihm seit seinem Wechsel aus Sandhausen kontinuierliche Leistungssteigerungen durch harte Trainingsarbeit bescheinigen, so ist vorauszusehen, dass er auch in der Beletage zur großen Stütze seines Teams werden kann.

Lediglich leichte Schwächen in der Strafraumbeherrschung konnte er bislang nicht abstellen. Ansonsten besticht Schuhen durch hervorragende Reflexe, große Sicherheit, Führung, immensen Ehrgeiz und Stärke im Eins-gegen-eins-Spiel. Der Torwart dürfte eine wichtige Rolle bei der Frage spielen, ob Darmstadt 98 der Klassenerhalt gelingt.

In diesem Zusammenhang sollte bedacht werden, dass es die 98er mit Kalibern wie Randal Kolo Muani und Sheraldo Becker zu tun bekommen werden und dass der Druck auf die Defensive steigen dürften. Ob da das in der zweiten Liga herausragende Defensivpersonal weiterhin so dicht halten wird wie im Aufstiegsjahr?

Die 98er bevorzugten in der Aufstiegssaison einen auf Ballbesitz ausgerichteten Stil, bei dem die Stabilität im Vordergrund stand. Zudem agierten sie meist mit einer Dreierkette, in der der erfahrene Christoph Zimmermann der Kopf war. Das führte dazu, dass die Mannschaft die wenigsten Gegentore der Liga kassierte. Auf der anderen Seite erreichte sie jedoch die zweitschwächste Torausbeute der in der oberen Tabellenhälfte platzierten Teams.

In der Rückrunde war besonders der in der Winterpause verpflichtet Filip Stojlkovic oft an gefährlichen Kontersituationen beteiligt. Matthias Bader konnte als echter Faktor auf der rechten Schiene überzeugen und reifte unter Lieberknecht zum unumstrittenen Leistungsträger. Zahlreiche Angriffe wurden über seine Seite initiiert. Darmstadt griff ohnehin oft über die Flügel an, Zielspieler bei den oft von Pfeiffer geschlagenen langen Bällen war Tietz, wobei es oft darum ging, die zweiten Bälle zu erobern.

Ein defensiverer Ansatz

Wahrscheinlich dürfte der in der Vorsaison lange trainierte und dann in den Spielen praktizierte defensivere Ansatz im Vergleich zur Vorsaison (u.a. Bremen, Sandhausen und Ingolstadt wurden abgeschossen) die Chancen in der Bundesliga verbessern. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Mannschaft das Niveau der Aufstiegssaison auch in der Bundesliga halten kann. Die nun in der Vorbereitung aufgetretene Offensivschwäche muss dringend abgestellt werden. Ansonsten ist das Team wohl nicht wettbewerbsfähig.

In der Dreier-Abwehrkette dürfte Neuzugang Christoph Klarer gute Chancen haben, zumindest in der Frühphase der Saison neben Zimmermann zu verteidigen. Der Österreicher wechselte von Düsseldorf nach Hessen und soll den abgewanderten Pfeiffer ersetzen. Um den dritten freien Platz in der Kette streiten in erster Linie Clemens Riedel und der solide Jannik Müller. Letzterer profitierte in der vergangenen Saison von zahlreichen Verletzungen und war spätestens zur Rückrunde eine feste Größe im Team.

Holland, Gjasula und zwei Neue – die Situation im zentralen Mittelfeld

Kapitän Holland stellt eine Alternative dar, sollte jedoch bevorzugt im defensiven Mittelfeld neben Fabian Schnellhardt oder dem genesenen Klaus Gjasula agieren. Der albanische Nationalspieler verlor seinen Stammplatz aufgrund einer langwierigen Verletzung, gehört 23/24 jedoch nicht zuletzt wegen seiner Erfahrung und Präsenz zum engeren Kreis für die ersten Elf. Sollte Lieberknecht verstärkt auf erfahrene Spieler setzen, ist es sicher kein Nachteil, dass der Routinier auch in der Abwehr eingesetzt werden kann. Ob die neu verpflichteten Fabian Nürnberger und Andreas Müller sich auf Anhieb Plätze in der Startelf sichern können, ist zweifelhaft. Besonders Müller dürfte eher die Zukunft gehören.

Darmstadts Stärken sind der eingespielte Kader, eine solide Defensive, absolute mannschaftliche Geschlossenheit und die Einheit bestehend aus Fans, Mannschaft, Vereinsführung und auch der Stadt. Die meisten Spieler wissen genau, was Lieberknecht in den Spielen sehen will und kennen die Abläufe. Zum großen Trumpf könnte Keeper Schuhen werden, dem in der nächsten Saison eine noch größere Bedeutung zukommen dürfte.

Mangelnde Bundesliga-Erfahrung als Schwäche

Neben der offenbar geschwächten Offensive dürften die klamme Kasse und mangelnde Bundesliga-Erfahrung die größten Schwächen sein. Mit Sicherheit gehört Darmstadt 98 neben dem VfL Bochum zu den finanzschwächsten Vereinen der Bundesliga. Durch die Niederlage gegen Fürth am letzten Spieltag wurde zudem ein höheres Fernsehgeld leichtfertig verspielt. Zum Auftakt warten mit Frankfurt am ersten Spieltag, Union Berlin und Leverkusen gleich drei dicke Brocken auf Lieberknechts Team.

Jedoch dürfte selbst bei drei Niederlagen am sehr ruhigen Standort keine Panik ausbrechen, denn Vereinsführung und Umfeld haben nicht vergessen, wo der Verein herkommt. Zudem können die Fans die Verhältnisse realistisch einschätzen, sodass auf deren leidenschaftliche Unterstützung auch im Misserfolgsfall gezählt werden kann. Für den SV Darmstadt 98 kann es in dieser Saison nur um den Klassenerhalt gehen. Gelingt es nicht, mehr Torgefahr zu entwickeln, dürfte nicht nur am Böllenfalltor zu oft der Gast den Platz als Sieger verlassen und es wieder in Liga zwei gehen. Deshalb gehören die Lilien zum engsten Kreis der Teams, die von Anfang an gegen den Abstieg spielen werden.

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Bildquellen

  • SVD-SFC-Testspiel-2023-24-blog-0025: Arthur Schönbein
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