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Lieberknecht: Habe nie meine eigene Karriere im Blick

Torsten Lieberknecht, SV Werder Bremen - SV Darmstadt 98

Torsten Lieberknecht, SV Werder Bremen - SV Darmstadt 98

Torsten Lieberknecht spricht über lange Verträge und seinen Umgang mit einem drohenden Abstieg. Zudem verrät der Trainer des SV Darmstadt 98 im zweiten Teil des Lilienblog-Interviews, wieso er einst nicht zu Werder Bremen gewechselt ist. 

Torsten, du betonst immer wieder, dass es dir weniger um Ergebnisse und Platzierungen geht, sondern darum, die Leute in den Spielen mitzunehmen, sodass sie sich mit der Mannschaft identifizieren. Unter diesem Aspekt waren die vergangenen Wochen mit Ausnahme des Hoffenheim-Spiels nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig. Oder?

Ich habe schon öfter gehört, dass wir lieber mal 3:6 verlieren sollten. Aber wenn wir das tatsächlich jedes Spiel machen, würde ich gerne mal die Reaktion sehen. Zuerst haben wir zu viele Gegentore bekommen. Das haben wir abgestellt. Nach den Standardtoren gegen Union Berlin haben wir elf Spieltage lang keine Tore aus Standards bekommen. Wir haben viele Dinge relativ in die richtige Bahn gebracht. In der unteren Tabellenzone gibt es einige Spiele, die nicht so schön anzusehen sind.

Aber die Mannschaft kann doch deutlich attraktiver spielen …

Und um es klar zu betonen: Natürlich ist es unser erklärtes Ziel, die Klasse zu halten. Ich empfinde es als meine Pflicht als Trainer, mit der Mannschaft möglichst viele Punkte zu holen. Jeder wusste, dass es schwer wird. Jetzt werden wir damit konfrontiert und auf einmal, wissen viele gar nicht mehr, was sie selbst vor der Saison gesagt haben. Wir vergessen auch hier so schnell. Für mein Empfinden hat es die Mannschaft weiter verdient, dass sich die Menschen hier mit ihr identifizieren – auch wenn sie mal enttäuscht sind.

Trotzdem ist der Abstieg eine realistische Option. Hast du keine Sorge, dass die Stimmung irgendwann mal kippen könnte? Gegen die Mannschaft? Gegen dich?

Das hoffe ich nicht, denn bislang habe ich das Darmstädter Umfeld überhaupt nicht so wahrgenommen, sondern schätze es sehr für den Realismus. Ich kann nur mein Bestes geben, meinen Job so gut und authentisch wie möglich machen und die Mannschaft immer wieder aufrichten. Das tue ich, seit ich hier bin. Ich identifiziere mich komplett mit dem Klub, habe mich ihm so verschrieben wie nur einem anderen Verein in meinem Leben. Alles andere kann ich nicht beeinflussen.

Mit Braunschweig bist du aus der Bundesliga abgestiegen, trotzdem im Amt geblieben und fast wieder aufgestiegen. Auch Christian Streich oder Jürgen Klopp sind mit Freiburg und Mainz ab- und wieder aufgestiegen. Wie schafft man es, dass Verein und Umfeld nach einem Abstieg nicht unruhig werden?

In Braunschweig hatten die Menschen die 28 Jahre in den Niederungen des Fußballs nicht vergessen. Die haben den Erfolg damals zum allergrößten Teil honoriert und wertgeschätzt. Deswegen war das dort überhaupt kein Thema – auch wenn dort wie hier natürlich mein Ansporn war, in der Liga zu bleiben.

Du hast in Darmstadt einen Vertrag bis 2027. Ist das in den heutigen Zeiten nicht etwas ungewöhnlich?

Für mich persönlich ist das überhaupt nicht ungewöhnlich. Es ist für mich ein komplettes Commitment für einen Klub. Klar, das ist vielleicht antizyklisch im Vergleich zu anderen Trainern und Vereinen. Aber ich habe hier das Gefühl, hierher zu passen und noch andere Themen anschieben und anpacken will. Kontinuität spielt bei mir eine große Rolle. Ich habe dabei auch nie meine eigene Karriere im Blick gehabt und mir manchmal damit vielleicht sogar selbst im Weg gestanden.

Zum Beispiel?

Ich hätte damals als Trainer von Braunschweig zu Bremen wechseln können. Ich habe es nicht gemacht, weil ich mit Braunschweig in die 1. Liga aufsteigen wollte und dieses Ziel damals auch erreicht habe. Und ich habe mich auch nicht als Nachfolger von Thomas Schaaf gesehen, der dort zwölf Jahre sehr erfolgreich war – womöglich auch mit dem Hintergedanken, dass ich mir nicht sicher war, wie lange ich dort Trainer sein würde.

Aber so wie die Mechanismen des Marktes bei den Trainern in Bremen nach Thomas Schaaf immer wieder gegriffen haben, könnte das doch in Darmstadt auch der Fall sein?

Ob die Mechanismen des Marktes irgendwann doch greifen liegt bis zu einem gewissen Punkt nicht in meiner Macht – außer dass ich eben immer mein Bestes gebe.

Gäbe es irgendeinen Zeitpunkt, an dem du selber sagen würdest, dass es keinen Sinn mehr hat?

Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass ich nicht einmal darüber nachgedacht habe, darüber nachzudenken (lacht). Alles kommt, wie es kommt. Das war schon immer mein Credo.

Teil 1 des Interviews im Wortlaut findet ihr hier,

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Bildquellen

  • SVW-SVD-2021-22-blog-0038: Arthur Schönbein
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