Lilienblog-Autor Stephan Köhnlein über eine zunehmende Kluft in der Fanszene beim SV Darmstadt 98:
Trainer Torsten Lieberknecht setzt im Hessen-Derby gegen Eintracht Frankfurt auf Emotionalität. Doch die Stimmung am Böllenfalltor war in den vergangenen Wochen eher mau. In einer Umfrage des Lilienblogs aus dieser Woche gaben mehr als drei Viertel der Teilnehmenden an, dass der Support besser sein könnte. Zwar ist die Umfrage nicht repräsentativ, aber eine gewisse Unzufriedenheit lässt sich nicht leugnen.
Natürlich sorgen die aktuellen Leistungen des SV Darmstadt 98 und der Tabellenstand des Teams nicht unbedingt für Euphorie. Aber gerade jetzt braucht die Mannschaft den Support der Anhänger. Kapitän Fabian Holland hat nach dem Dortmund-Spiel gesagt, es sei extrem wichtig, dass die Fans die Mannschaft mitnähmen. Tun sie das wirklich geschlossen? Gerade mit Blick auf das Verhältnis zwischen der Südtribüne mit den Ultras und dem Rest der Fans auf den anderen drei Tribünen des Stadions tun sich da Risse auf.
Man solle doch gerade jetzt keinen Keil zwischen die Fans treiben, schrieb ein User. Doch Tatsache ist, dass dieser Keil schon längst da ist. Beim Dortmund-Spiel stießen die monotonen „Scheiß SGE“-Sprechchöre der Südtribüne vielen Fans in anderen Bereichen des Stadions sauer auf. Auch die Interaktion zwischen den Tribünen klappt offenbar nicht so wie früher. Das mag daran liegen, dass sich das im neuen Stadion noch einspielen muss. Aber das Problem geht tiefer.
Viele Fans ärgern sich über den Alleinvertretungsanspruch der Ultras, wie aus den Reaktionen auf die Umfrage und andere Berichte des Lilienblogs hervorgeht. Muss man alles mitsingen, nur weil es der Capo auf der Südtribüne vorgibt? Wieso nimmt die Süd zum Beispiel keine oder zumindest kaum Gesänge der Gegengerade auf? Ist man nur ein richtiger Fan, wenn man Pyrotechnik im Stadion gut findet? Wieso erhalten die anderen Tribünen von der Mannschaft weniger Aufmerksamkeit? Ist der Support dort schlechter, nur weil die Zuschauer dort mehr bezahlen?
Der Verein zieht vor einer möglichen Konfrontation mit den Ultras den Schwanz ein. Hinter vorgehaltener Hand sehen manche den Geltungsanspruch dieser Gruppe durchaus kritisch, gerade bei Pyrotechnik oder der Deutungshoheit über den Investoreneinstieg bei der Deutschen Fußball Liga (DFL). Nur weil sich eine Gruppe besonders laut zu Wort melde, bedeute das nicht, dass sie immer Recht habe. Aber offiziell gibt es nur weichgespülte Statements.
Mit den Ultras ins Gespräch zu kommen, ist nicht einfach. Der Lilienblog bemüht sich seit bald zwei Jahren immer wieder auf verschiedenen Ebenen darum. Mehr als ein einziger, zwar sehr angenehmer, aber informeller Kontakt ist bislang nicht zustande gekommen. Und ab und an gibt es noch ein paar wütende Kommentare via sozialer Medien, wenn etwa die Sinnhaftigkeit von Pyrotechnik infrage gestellt wird. Der Eindruck drängt sich auf, dass man in dieser Fangruppe nicht wirklich Wert darauf legt, mit anderen zu kommunizieren.
Wichtig ist zunächst auf dem Platz. Deswegen wäre es aus Lilien-Sicht schön, wenn der Anhang im Derby gegen Frankfurt geschlossen die Mannschaft zu einem Sieg pushen würde. Aber auch danach gibt es noch Gesprächsbedarf.
Nach wie vor sind wir beim Lilienblog am Dialog mit Mitgliedern der Ultras interessiert – zum Beispiel zum Thema Pyrotechnik, aber auch aktuell zum Support. Wenn ihr das auch seid, lasst uns über info@lilienblog.de ins Gespräch kommen. Wir behandeln alle Kontakte vertraulich, nichts geht ohne euer Okay an die Öffentlichkeit.
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Bildquellen
- SVD-SVS-2021-22-blog-0018: Arthur Schönbein