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Gut zwei Wochen ist es her, dass Rüdiger Fritsch erklärt hatte, der SV Darmstadt 98 werde beim Thema Sportlicher Leiterin den kommenden zwei bis drei Wochen „zu Potte kommen“.

Nun ist der Lilien-Präsident dafür bekannt, dass er verbal auch mal nach vorne prescht. Aber Fritsch ist auch ein erfahrener Jurist, der weiß, was er sagt. Was immer „zu Potte kommen“ bedeuten mag – er hat eben nicht gesagt, dass der Verein in zwei bis drei Wochen einen neuen Sportlichen Leiter präsentiert.

Verein hat keine Eile

Tatsächlich müssen vor konkreten Verhandlungen und einer personellen Entscheidung zahlreiche, auch grundsätzliche Dinge abgewogen werden. Auch das kann Fritsch mit „zu Potte kommen“ gemeint haben. Vor diesem Hintergrund ist es gut möglich, dass der Verein noch ein paar Wochen braucht, bis er einen Nachfolger für den Ende des Jahres ausgeschiedenen Carsten Wehlmann öffentlich präsentiert.

Eile, so betonte Fritsch mehrfach, bestehe bei der Besetzung des Postens nicht. Auch ohne Wehlmann bewegt sich etwas beim SV Darmstadt 98: Die Winterneuverpflichtungen Julian Justvan, Gerrit Holtmann und Sebastian Polter wurden beispielsweise erst deutlich nach dem Abgang des Sportlichen Leiters abgewickelt. Und auch für eine detaillierte Planung mit Neuverpflichtungen und Vertragsverlängerungen gibt es mit Blick auf die neue Saison noch viele Unwägbarkeiten, obwohl immer wahrscheinlicher wird, dass die Lilien für Liga zwei planen müssen.

Aber was muss ein neuer Sportchef überhaupt mitbringen? Und welche Hürden gibt es bei einer Verpflichtung?

Hintergrund und Vorgeschichte

Wehlmann kam im Herbst 2018 von Holstein Kiel, wo er erfolgreich als Chefscout gearbeitet hatte. Bei seiner Vorstellung in Darmstadt als Sportkoordinator mit den Schwerpunkten Kaderplanung, Scouting und Weiterentwicklung des Nachwuchsleistungszentrums hatte der damalige Cheftrainer Dirk Schuster unmissverständlich klargemacht, dass er selbst weiterhin der Chef sei. Nach Schusters Freistellung ein knappes halbes Jahr später wurde Wehlmann zum Sportlichen Leiter befördert und mit der Trainersuche beauftragt.

Carsten Wehlmann

„Der Chef bin ich“, stellte Dirk Schuster (rechts) bei der Vorstellung von Carsten Wehlmann (Mitte) klar (links Präsident Rüdiger Fritsch).

Wie weit Wehlmanns Kompetenzen tatsächlich reichten, war aber – zumindest nach außen – auch bei seinem Abgang gut fünf Jahre später nicht wirklich klar. Der alleinige Macher war er jedenfalls nicht. Vielmehr saß er an einer zentralen Schaltstelle zwischen Scouting-Abteilung, Präsidium und Chefcoach. Bei Wehlmann liefen die Fäden zusammen, er vollzog die sportliche Bewertung von Spielern. Die Entscheidungen wurden dann – so zumindest der offizielle Wortlaut – im Team getroffen.

Mit dem Abgang Wehlmanns wurden dessen Aufgaben auf eine Task-Force aufgeteilt. Darin arbeiten Präsidiumsmitglied Tom Eilers, Chef-Trainer Torsten Lieberknecht und der Leiter der Lizenzspielerabteilung, Michael Stegmayer, mit Unterstützung der Scouting-Abteilung zusammen.

Anforderung 1: Das passende Teil für die Schaltstelle

Am einfachste wäre es, die Stelle des Sportlichen Leiters gleichwertig zu besetzen, ohne die Strukturen tiefgreifend zu verändern. Der Neue bräuchte vor allem reichlich Scouting-Erfahrung und ein gutes Netzwerk. Es wäre also eher ein mutmaßlicher Hidden Champion als ein bekannter Name.

Trotzdem muss der SV Darmstadt 98 einen ambitionierten Mann findet, der in dieses Schema passt. Allerdings wären dessen Macht und Gestaltungsspielraum eher begrenzt. Das macht die Stelle nicht unbedingt attraktiver. Vor diesem Hintergrund wäre der Aufgaben- und Wirkungsbereich des ins Gespräch gebrachten Ex-Lilien-Spielers Peter Niemeyer sicher kleiner als bei dessen aktueller Beschäftigung als Sportdirektor mit Geschäftsführerstatus bei Preußen Münster.

In diesem Zusammenhang sei auch daran erinnert, dass die beiden Vorgänger Wehlmanns – Holger Fach und Alexander Klitzpera – sich nur relativ kurz auf der ähnlich zugeschnittenen Position hielten.

Skeptischer Blick, Tom Eilers, Rüdiger Fritsch, Carsten Wehlmann

Borne Tom Eilers und Rüdiger Fritsch, Carsten Wehlmann etwas im Hintergrund

Anforderung 2: Teamplayer ohne zu großes Ego

Auch wenn das Teamplay beim SV Darmstadt 98 immer besonders betont wird – unter den Verantwortlichen gibt es wie auf den meisten Führungsebenen im Sport, aber auch bei Unternehmen eine ganze Reihe von Alphamännchen. Neben einem Fritsch oder Eilers rückte ein Wehlmann da bisweilen etwas in den Schaffen. Und auch ein jovialer Mensch wie Chefcoach Lieberknecht kann (und muss) bisweilen sehr bestimmend auftreten.

Wehlmann fühlte sich bei den Lilien nicht immer wertgeschätzt, wie zu hören war. Ein Sportlicher Leiter mit einem ausgeprägten Ego und mehr öffentlichem Geltungsbedürfnis, der fordernder auftritt, könnte jedoch das bestehende Gefüge durcheinanderbringen. Dann müsste die Lilien-Führungsriege womöglich Macht abgeben und ihre Ansprüche zurückschrauben.

Den Namen Martin Bader hatte Lieberknecht wohl wirklich nur versehentlich mit einem Versprecher ins Spiel gebracht – und gleich wieder dementiert. Aber ein Sportchef eines ähnlichen Kalibers wie Bader würde sich mit größer Wahrscheinlichkeit nicht mit einem Posten begnügen, wie er bei Wehlmann zugeschnitten war, sondern wesentlich mehr Einfluss fordern.

Anforderung 3: Kommunikationsstärke

Zu zurückhaltend sollte der Neue auch nicht sein. Wehlmann konnte zwar gut vor der Kamera auftreten, tat das aber zu selten. Auch sonst war er gegenüber den Medien oft extrem vorsichtig und wirkte bisweilen sogar etwas unsicher. Während Kollegen in ähnlichen Positionen den Journalisten nach Spielen schon mal ein paar knackige Sätze ins Mikrofon sprachen oder in den Block diktierten, zierte sich Wehlmann, tauchte oft ab.

Dass sein Nachfolger sich da besser verkaufen sollte, liegt auf der Hand. Aber am besten auch nicht zu forsch (siehe Anforderung 2), denn für markige Sprüche sind ja schon Fritsch und Lieberknecht da.

Fazit

Der Neue muss passen – beim Aufgabengebiet entweder genau in die Fußstapfen Wehlmanns oder aber zumindest so, dass mit einer Macht- und Aufgabenverschiebung das Gesamtgefüge der Führung nicht durcheinander gerät. Oder mal rein hypothetisch: Das aktuelle Vakuum auf der Sportchef-Position bietet auch die Chance, die bisherigen Strukturen zu überdenken – und womöglich eine neue Struktur zu finden, in der dieser Aufgabenbereich auf unterschiedliche Verantwortliche übergeht, ohne dass explizit ein neuer Sportlicher Leiter engagiert wird. So oder so – dass der SV Darmstadt 98 in der Causa Sportlicher Leiter nichts überstürzen will, ist nachvollziehbar.

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Bildquellen

  • Wehlmann: lilienblog
  • FCN-SVD-2019-20-blog-004: Arthur Schönbein

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