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Die Szene nach dem desaströsen 0:6 gegen Hoffenheim hatte Symbolcharakter: Beim Gang zu den Fans gerieten Christoph Klarer und Marcel Schuhen heftig aneinander. Abwehrspieler Klarer sprach später von einem „kurzen Wortgefecht“, während Schuhen, der zum zweiten Mal hintereinander auf der Bank sitzen musste, wortlos und sichtlich geladen in die Kabine stapfte. Trainer Torsten Lieberknecht wollte die Auseinandersetzung in einem Gespräch mit den beiden Spielern am Montag intern klären. Der viel beschworene Teamgeist, der den SV Darmstadt 98 vor einem Jahr in die Bundesliga getragen hatte, zeigt mittlerweile nicht nur Risse. Spätestens am 33. Spieltag ist einiges zerbrochen.

Die erste Peinlichkeit eines Nachmittags voller Pleiten und Pannen (das Pech spielte keine Rolle) hatte es bereits vor Anpfiff gegeben: Bei der Verabschiedung der Spieler mit auslaufenden Verträgen wurde Sebastian Polter aufgerufen. Doch die Leihgabe vom FC Schalke 04 kam nicht, um sich sein Abschiedsgeschenk – einen Farbdruck – abzuholen.

Polter war wegen eines Infekts gar nicht im Stadion, wie der Verein später aufklärte. Diese Information war jedoch nicht bis zu den Protagonisten bei der Ehrung vorgedrungen. Bundesliga-Rekord-Mann Polter (sieben verschiedene Vereine), der als Winterneuzugang meilenweit hinter den Erwartungen zurückgeblieben war, blieb mit seinem Fehlen aber immerhin einiges erspart.

Häme bei den Fans

Schon nach sechs Minuten lag der SV Darmstadt 98 mit 0:2 zurück, zur Halbzeit stand es 0:5. Mit ihrem desolaten und blutleeren Auftritt sorgte die Mannschaft dafür, dass sogar die hartgesottene Südtribüne ihren Support im zweiten Durchgang einstellte.

Später schlug die Stimmung im Stadion in Häme um, bei der jeder angekommene Pass (von denen es über weite Strecken ohnehin nicht viele gab) mit einem Olé bejubelt und La-Ola-Wellen angestimmt wurden. Keine Spur von dem würdevollen Abschied von den Fans, den Lieberknecht angestrebt hatte. Der SV Darmstadt 98 präsentierte sich in jeder Hinsicht als Scherbenhaufen.

Wirrwarr im Kopf des Trainers

In der anschließenden Pressekonferenz wirkte der Lilien-Coach konsterniert wie noch nie in der laufenden Saison nach einem der zahlreichen Rückschläge, rang sichtlich um Worte und Fassung. „Bei mir ist das im Kopf, was auch dem Platz war: ein Wirrwarr“, räumte er ein. Nach einer vernünftigen Trainingswoche sei diese Leistung nicht abzusehen gewesen. Seine Mannschaft sei jedoch von Beginn an nicht bereit gewesen, das Spiel inhaltlich anzunehmen. „Das ist unentschuldbar heute.“

Trotz zunehmender Ratlosigkeit sitzt Lieberknecht offenbar weiter fest im Sattel. Das ist bemerkenswert, ist doch der Trainer in Krisen in aller Regel das schwächste Glied. Von den fünf Vereinen am Tabellenende der Bundesliga hat Schlusslicht SV Darmstadt 98 als einziger noch den gleichen Trainer wie zu Saisonbeginn. Und man wird mit Lieberknecht auch „definitiv“ in die 2. Liga gehen, wie der neue Sportdirektor Paul Fernie nach dem Hoffenheim-Debakel bekräftigte.

Fehler reichen in die Vorsaison

Tatsache ist, dass beim SV Darmstadt 98 mehrere Menschen viele Fehler gemacht haben, die für die aktuelle Misere verantwortlich sind. Das begann schon Ende der vergangenen Saison mit dem Mallorca-Trip unmittelbar nach dem am 33. Spieltag perfekt gemachten Aufstieg und der danach verspielten Zweitliga-Meisterschaft.

Im Sommer versäumte man es, einen bundesliga-tauglichen Kader zusammenzustellen, vertraute zu sehr auf die Aufstiegsspieler. Es folgten eine schwache Saisonvorbereitung und das peinliche Erstrunden-Pokal-Aus bei Viertligist Homburg. Auch mehrere Verletzungen warfen die Mannschaft zurück.

Hinzu kamen verschiedene unglückliche Äußerungen diverser Verantwortlicher. Viel zu lange wurde das – zumindest öffentlich – schöngeredet und auch moderate Kritiker als Miesmacher abgetan. Mittlerweile gibt man sich da beim Verein etwas einsichtiger.

Das Feuer wieder entfachen – sonst wird’s ungemütlich

Nachdem die aktuelle Saison nun also komplett verkorkst ist, gilt es, den Blick nach vorne zu richten. Neue Spieler müssen her, die mehr Leidenschaft versprühen und die Fans wieder mitreißen. Die Neuen müssen dabei keine Millionentransfers sein. Es geht um Mentalität. Manchmal reicht da womöglich schon eine Florian-Jungwirth-Gedächtnis-Grätsche an der Eckfahne, um das Feuer wieder zu entfachen.

Mit Blick auf den Kader ist Sportdirektor Fernie in erster Linie in der Pflicht. Aber auch Trainer und Präsidium sind gefordert, wenn es darum geht, das Publikum schnell wieder zurückzugewinnen. Gelingt das nicht, könnte es sehr bald sehr ungemütlich werden – für alle Verantwortlichen.

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Bildquellen

  • SVD-scf-2023-24-blog-0038: Arthur Schönbein

12 Kommentare

  • Lilie sagt:

    Das ist gut zusammengefasst und hat endlich die Klarheit die ich mir schon
    Länger gewünscht hätte.

  • Udo sagt:

    Nach dem gestrigen Desaster fehlen mir eigentlich immer noch die Worte. Etwas Schlechteres habe ich noch nicht gesehen. In der Saison hat mich die Mannschaft in einigen Spielen immer wieder negativ überrascht. Ich dachte, es wäre keine „Steigerung“ mehr möglich, wurde gestern aber eines Besseren belehrt. Dieser Kader muss wirklich runderneuert werden, und ich hoffe, Paul Fernie findet die richtigen Akteure.
    Im Übrigen hätte auch von Seiten der Zuschauer, speziell der Ultras, der Kuschelkurs früher beendet werden müssen. Man muss die Spieler nach Niederlagen nicht auspfeifen, aber es gibt auch keinen Grund, nach Pleiten danach die Mannschaft zu feiern. Das ist aber letztlich nur eine Randnotiz.

    • De Maddin sagt:

      Die Ultras feiern nicht „die Mannschaft“, sie feiern immer nur sich selbst. Im Falle von Zuspruch nach Niederlage ist das Signal nicht der Zuspruch, sondern das „Sehet, wir stehen treu zu unserer Mannschaft und sind deshalb selbst toll!“ Mit dieser Art völlig unkritischen „Supports“ erschleichen Sie sich das Recht oder die Narrenfreiheit, die nächste Pyro-Strafe für den Verein einzufahren.

      • Lilie sagt:

        Auf den Punkt gebracht.

      • WolfLilie sagt:

        Perfekt geschrieben 👍

      • Zorngiggel sagt:

        So isses. Die sollte man alle zum Kloputzen verdonnern, bis die Pyroschulden beglichen sind. Danach lebenslanges Stadionverbot. Wer den Verein liebt, benimmt sich korrekt und riskiert keine Strafen.
        Ohne solche ‚Fans‘ ging es früher auch. Da war es aber noch ECHTE Leidenschaft und Emotion. Heute belangloser Singsang und hirnloses Klatschi Klatschi. Für den hirnlosen Schrott gibt es von mir bestimmt KEINE Choreospende. Sollen sie erst mal an den Zündeleien sparen. Da kommt bestimmt einiges zusammen. Und schaltet ENDLICH diese elenden Lautspecher ab!! DAS NERVT!!!

  • Katze vom Bosporus sagt:

    Die Analyse ist richtig aber die meisten, die ins Stadion gehen oder am Fernseher Woche für Woche sitzen wussten es schon seit der Hinrunde. Nur die Verantwortlichen nicht.

  • Prof.K.K. sagt:

    Gut zusammengefasst, diese kritische Berichte waren überfällig.
    Was will Paul Fernie auch sagen, der Präsident hat schon gesagt, wir gehen mit „Wirrwarr“ Lieberknecht in die 2.Liga. Spätestens nach einem Fehlstart dürfte die Personalie TL sich dann erledigt haben. Nur hat man dann die Spieler die zum TL System passen. Allerdings konnte man ein System zuletzt keines mehr erkennen, ein Wirrwarr nicht nur im Kopf, sondern auch auf dem Platz.
    Es muss ein Schnitt her und zwar ohne Lieberknecht. Er wirkt immer mehr leerer…Wie sagte Trapatoni, Spieler spielen wie Flasche leer, bei TL ist sie schon länger leer.
    Mag sein, dass diese traurige Geschichte mit seiner Frau ihn stärker belastet hat als er es wahr haben möchte.

    Fritsch muss handeln, handelt er nicht und der Schuss geht nach hinten los, kann er gleich mitgehen.

    • Jürgen sagt:

      Wird spannend, zu sehen, was passiert. Wenn der Präsi jetzt nicht die Reissleine zieht und die ersten Spiele in Liga zwei auch in die Hose gehen, wird er über den Rentenvertrag für TL stolpern, der dann wohl wird gehen müssen. Vielleicht ist ihm da ja ein Ende mit Schrecken lieber …

      • WolfLilie sagt:

        T.L. kann doch nur mit den Spielern arbeiten die man Ihm von Rudis Resterampe geholt hat wer nix investiert darf sich nicht wundern wenn es in die Hose geht und wenn P.F. nicht die entsprechenden Mittel zur Verfügung stehen wird es wieder so werden. Prognose: Erst kurz vor Saisonbeginn werden wieder die Reste eingesammelt die es noch gibt, hat ja damals bei Schuster auch funktioniert, geht aber Heute nicht mehr, ist nun mal so. Ein Tipp ans Präsidium: Fragt mal bei Felix Magath nach wie man es macht ohne sich groß zu verschulden aber trotzdem richtig zu Investieren, der weiß darüber gut Bescheid. Der EFFZEH hat gezeigt was passiert wenn man sich kaputt spart

  • Matthias sagt:

    Im Erfolg werden die Fehler gemacht, ist die Wahrheit welche auf den Sportverein zutrifft. Mallorca, falsche Kaderplanung, wer ist daran Schuld ? Zuviele Verletzungen der Abgang von Wehlmann, welcher bis heute noch unklar ist warum, eine Vertragsverlängerung für 4 Jahre, das Spielsystem, was laufend geändert wurde, der Kader viel zu viele Spieler, das Versprechen jeder Spieler bekommt seine Spielzeit, die Abwehr, welche sich nie einspielen konnte. Für mich als Trainingsgast ist die Mannschaft auch nicht fit genug, im läuferischen und im Zweikampf Verhalten. Im Training keine Schienbeinschoner an, dann immer wieder Spieler mit Sprunggelenk Verletzungen, schon auffällig. Wann die ersten Spiele nicht gut sind, muss der Trainer leider gehen. Alle Verantwortlichen müssen den Verein wieder auf eine solide Basis stellen.

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