Website-Icon Lilienblog

Fernie: Lieberknecht-Nachfolger mit Erfahrung gesucht

Paul Fernie, SV Elversberg - SV Darmstadt 98

Paul Fernie, SV Elversberg - SV Darmstadt 98

Nach dem Testspiel gegen Mainz hat Sportdirektor Paul Fernie über die Situation beim SV Darmstadt 98 nach dem Abgang von Torsten Lieberknecht und die Suche nach einem Nachfolger für den Trainer gesprochen.

In den letzten Tagen war viel los im Verein. Wie läuft die Trainersuche?

Ja, es war sicherlich ein trauriger Tag für uns am Sonntag. Vor allem bei einem Trainer und Menschen wie Torsten ist das traurig. Er hat hier in Darmstadt viel erlebt, mit Höhen und Tiefen in den letzten Jahren. Aber mein Job ist es, immer vorbereitet zu sein, falls sowas passiert. Wir haben jetzt ein paar gute Tage hinter uns, an denen wir Gespräche geführt haben. Wir sind auf einem guten Weg.

Wie ist der Zeitplan mit dem neuen Trainer? Bis wann soll er idealerweise da sein?

Gestern (lacht). Nein, aber so schnell wie möglich. Wir wissen, dass wir ein großes Spiel vor uns haben gegen Braunschweig. Das Ziel ist, dass wir bis dahin einen neuen Trainer im Amt haben.

Was für ein Profil braucht der neue Trainer?

Wir brauchen einen Menschen, der zu uns als Verein passt. Ein Trainer bei Darmstadt 98 muss eine gewisse Persönlichkeit haben, Ausstrahlung, Energie und Leidenschaft mitbringen und wissen, was es heißt, die Lilien auf der Brust zu tragen. Aber gleichzeitig ein Trainer, der mit Menschen arbeiten kann, der individuell Spieler und natürlich auch eine Mannschaft weiterentwickeln kann.

Muss er Zweitliga-Erfahrung haben? 

Er braucht allgemein Erfahrung als Trainer. Zweite Liga oder erste Liga, was natürlich ein Vorteil wäre, aber es gibt überall gute Trainer. Wir müssen gucken, dass es der richtige Mensch ist. Die beiden Elemente sind sehr wichtig für uns bei dieser Trainersuche.

Wird nun ein Trainer kommen, der aktuell frei ist, oder sprichst du auch mit Trainern, die unter Vertrag stehen?

Nein, nur mit Trainern, die nicht unter Vertrag sind.

Du hast gesagt, der Trainer, der jetzt kommt, muss wissen, wie es sich anfühlt, die Lilie zu tragen. Heißt das, dass das jemand ist, der den Verein schon aus anderer Funktion kennt?

Nein, das nicht unbedingt. Was ich damit meine ist, dass wir einen besonderer Fußballstandort in Darmstadt haben. Das habe ich sofort gelernt. Es muss klar sein, was es bedeutet, hier zu arbeiten. Man muss immer präsent sein, immer Vollgas geben und immer bereit sein, seine Leistung abzurufen und die Lilie auf der Brust zu tragen.

Sprichst du jetzt vor allem mit Leuten, mit denen du schon zusammengearbeitet hast?

Nein, bisher nicht.

Ist es ein Trainer, der den deutschen Fußball kennt? Erste, zweite Liga, also jemand, der in Deutschland gearbeitet hat, auch ein deutscher Trainer ist?

Ja.

Hast du den Eindruck, dass es schwierig ist auf dem Trainermarkt? 

Das komplett Gegenteil, wenn ich ehrlich bin. Wenn ich überlege, wie viele Leute mich in den letzten Tagen kontaktiert haben. Größere Namen, andere die nicht so bekannt sind, von überall in Deutschland und überall auf der Welt. Wir sind ein attraktiver Standort für einen Trainer. Wir haben viel anzubieten. Die aktuelle Situation kann jeder für sich sehen. Wir haben viel Luft nach oben und haben eine Mannschaft mit viel Qualität. Wir glauben an die Mannschaft, dass sie immer noch eine gute Saison spielen kann. Es ist noch früh in der Saison, das dürfen wir nicht vergessen. Aber was die Trainerauswahl angeht haben wir gute auf unserer Liste. Damit bin ich sehr zufrieden.

Also hast du noch keine Absage bekommen?

Bisher noch nicht.

Das heißt, wenn ich es richtig verstanden habe, dass die Trainer sich auch bei dir melden?

Nein, wie gesagt, ich habe meine Liste, die ich schon vorbereitet habe. Aktuell muss ich mein Handy ein paar mal am Tag aufladen, weil es so viele Nachrichten gibt, was für uns in Darmstadt spricht.

Sollte es ein Trainer sein, der bereit ist, Dreierkette zu spielen?

Nicht unbedingt. Ich glaube, man hat gesehen, dass wir am Wochenende mit der Dreierkette angefangen haben und dann während des Spiels auf die Viererkette gewechselt haben. Wir suchen noch die richtige Kombination momentan. Es geht um die Verhaltensweise auf dem Platz, und es geht um die Spielweise, die wir sehen wollen.

Du hast bereits angesprochen, dass Torsten Lieberknecht ein besonderer Mensch in Darmstadt war und seine Spuren hinterlassen hat. Warum hat es letztendlich Sinn gemacht, das Angebot von Torsten anzunehmen?

Die Gespräche am Sonntagmorgen waren sehr intensiv. Emotional. Es gab mehrere Gespräche, wie immer am Sonntagmorgen, bei denen wir über alles reden. Das Spiel am Wochenende war natürlich ein Hauptthema, aber auch die sportliche Lage bei uns momentan. Da müssen wir auch gar nichts schön reden aktuell. Wir haben nur einmal gewonnen in den letzten 31 Pflichtspielen und nur einen Punkt nach vier Spieltagen. Also von daher waren die Gespräche sehr offen und sehr ehrlich zwischen uns beiden. Das Ergebnis ist jetzt bekannt.

Hast Du am Samstagabend schon damit gerechnet, dass Darmstadt am Sonntag keinen Trainer mehr hat?

Nein, als ich am Sonntagmorgen zum Bölle gefahren bin, habe ich nicht daran gedacht, dass wir am Sonntagnachmittag einen neuen Trainer finden müssen. Das hatte ich nicht in meinem Kopf.

In der Pressemitteilung des Vereins wirst du so zitiert, dass die hundertprozentige Überzeugung gefehlt hat. Bei dir oder bei Torsten Lieberknecht?

Gegenseitig. Nach unseren Gesprächen am Sonntagmorgen, gab es eine gegenseitig Einigung, dass wir einen neuen Impuls brauchen. Es tat weh in dem Moment, aber die Gespräche waren sehr vertrauensvoll, sehr offen und sehr ehrlich. Und das war immer so zwischen Torsten und mir. Wie gesagt, er ist nicht nur ein guter Trainer, sondern ein überragender Mensch, der viel erlebt hat hier. Ich kenne ihn zwar erst seit April, aber wir sind relativ eng geworden und ich nehme es nicht als selbstverständlich, dass man so offen und ehrlich miteinander reden kann in so einer sensiblen Situation.

War an den Gesprächen mit Torsten Lieberknecht am Sonntag noch jemand beteiligt außer euch beiden?

Nein, nur Torsten und Ich.

Ein Rückblick auf Elversberg. Das Spiel hat die Mannschaft aufgewühlt. Marcel Schuhen hat danach ein Interview gegeben, wo er sehr stark mit der Mannschaft ins Gericht gegangen ist. Wie ist das alles verarbeitet worden? 

Wir haben am Sonntagmorgen auch mit der Mannschaft geredet. Natürlich ist ihre Perspektive auch interessant und sie wissen auch was am Samstag passiert ist. Das ist nicht unser Anspruch. Wir haben versucht, ohne die Emotionen des Spiels miteinander zu reden und lösungsorientierte Schlüsse zu finden. Bei uns gehören Emotionen dazu, dafür lieben wir den Fußball. Aber am Tag danach geht es darum, sachlich und fachlich mit der Situation umzugehen. Der Blick muss nach vorne gerichtet werden, und wir müssen sehen, was wir umsetzen müssen, um wieder erfolgreich zu sein.

Habt ihr im Nachhinein eine Erklärung für den Auftritt am Samstag?

Ich glaube, wenn man sich dem Fußball ansieht, gibt es immer die vier Merkmale: Technisches, Taktisches, Physisches und Mentales. Ich glaube, man kann auf alle vier Merkmale blicken und sagen, dass das am Samstag alles nicht gepasst hat.

Muss die Mannschaft sich da zusammenraufen oder stimmt irgendetwas nicht in der Mannschaft? Da hatte Marcel ja bereits gesagt, wer sich verpissen will auf dem Platz, der soll sich gleich ganz verpissen.

Ich musste erstmal Googeln, was verpissen heißt, weil ich das nicht gekannt habe. Aber nein, jeder, der Schuh kennt, weiß, dass er ein emotionaler Mensch ist. Manchmal, wenn man nach dem Spiel sofort eine Kamera vor dem Gesicht hat, redet man aus Emotionen. Das am Wochenende war eine Ausnahmesituationen, die man in der Trainingswoche nicht vorhersehen konnte. Die Trainingswoche war ganz stark bei den Jungs. Auch in der Saison war bisher nicht alles schlecht. Gegen Nürnberg waren wir total dominant, haben das zweite Tor nicht gemacht. Gegen Paderborn sind wir sehr gut gestartet und haben dann den Faden verloren, was normal ist. Du kannst nie über 90 Minuten dominant sein. Und auch gegen Düsseldorf war es ein Duell auf Augenhöhe bis zu unseren eigenen Fehlern. Also von daher, die Mannschaft ist neu und wächst momentan zusammen. Aber was das Klima angeht, was die Menschlichkeit angeht, herrscht da überhaupt kein Problem.

Es klingt so, als war das jetzt alles so ein Betriebsunfall in Elversberg. Man ist mit Torsten Lieberknecht in die neue Saison gegangen. Gab es überhaupt keine Option zu sagen, wir schlafen noch mal drüber und lassen uns noch mal ein paar Tage Zeit und sagen dann, Torsten, wir glauben an dich. Gab es die Chance nicht, dass man zusammen weitermacht?

Wie bereits gesagt, wir haben eine schwere sportliche Situation in den letzten 15 Monaten. Natürlich macht das etwas mit dem Verein, den Menschen, die hier waren und immer noch hier sind. Jeder weiß, dass Darmstadt viel Geduld gezeigt hat mit Trainern in der Vergangenheit. Wir wollten mit Torsten  in die Saison gehen, weil wir fest davon überzeugt waren, dass das unser Mann ist. Daher ist es überraschend, was am Wochenende passiert ist. Aber gleichzeitig mussten wir gucken, was die sportliche Entwicklung angeht. Unser Sport ist ein Ergebnissport und daher mussten wir so schnell wie möglich schauen, dass wir wieder Ergebnisse bekommen.

Bei der Pressekonferenz nach Elversberg saß Torsten da und hat gesagt, er habe das Gefühl, die Mannschaft habe ihn im Stich gelassen. Konntest du das nachvollziehen oder nicht?

Vielleicht hatte Torsten dieses Gefühl gehabt am Wochenende. Wenn war das auf das Spiel bezogen, aber nicht allgemein, da kann ich nicht zustimmen. Ich habe gesehen, wie die Mannschaft unter der Woche und in der gesamten Vorbereitungsphase auf ihn reagiert hat. Auf das Spiel bezogen, hat er das aus der Emotion heraus gesagt, aber am Tag danach hat man das gar nicht gemerkt.

Euch gefällt der Lilienblog? Dann unterstützt unsere Arbeit hier und fördert damit die Medienvielfalt in Südhessen.

Bildquellen

  • elv-SVD-2024-25-blog-0029: Arthur Schönbein
Die mobile Version verlassen