Paul Fernie: Liegt noch ein langer Weg vor uns 

Nach dem ersten Heimsieg seit mehr als einem Jahr war die Freude beim Sportdirektor Paul Fernie groß. Ins Schwärmen geriet er über die neue Offensivpower des SV Darmstadt 98. Dennoch sieht er noch viel Arbeit vor den Lilien. Zudem verriet der Engländer, was er von Thomas Tuchel als neuem englischen Nationaltrainer hält.  

Paul, nach einem Jahr endlich wieder ein Heimsieg. Wie groß ist die Freude?

Wir sind sehr froh. Phasenweise haben wir eine ganz starke Leistung gezeigt. Ich habe schon mehrfach gesagt, dass es unser Ziel ist, diese Phasen immer länger zu machen und am Ende auch zu liefern. Wir haben nicht nur fünf Tore geschossen, sondern auch die Box besser verteidigt als zuletzt. Das ist sehr wichtig für uns. Darauf hat auch das Trainerteam in den vergangenen zwei Wochen viel Wert gelegt.

Aber nach dem Ausgleich hätte die Partie doch auch kippen können?

Nach dem 1:1 haben wir Charakter und Mentalität gezeigt, haben nicht nachgelassen, sondern sind auf unserem Weg geblieben. In der Halbzeitpause hat der Trainer dann den Fokus auf die Lösungen unserer Probleme gelegt. Und die zweite Halbzeit war taktisch gegen den Ball viel besser als die erste Halbzeit.

Fraser Hornby hat ein starkes Spiel gezeigt. Wie sehr freust du dich für deinen Landsmann, der ja hier zuletzt keine einfache Zeit hatte? 

Ich freue mich sehr für ihn. Natürlich ist ein Stürmer dafür da, dass er Tore schießt. Er hat heute gleich zwei gemacht. Ich war in der Kurve bei unseren Fans nah dran und habe gesehen, dass das sehr positiv für ihn war. Seine Leistung war das Ergebnis seiner Entwicklung in den vergangenen Wochen. Er trainiert super, zeigt immer wieder seine Qualität. Zusammen mit Isac Lidberg bauen wir da im Angriff wirklich etwas auf.

Isac Lidberg ist bislang ein absoluter Glücksgriff. Bis du überrascht, dass er so stark spielt? 

Nein, ich kenne Isac seit langer Zeit, weiß um seine Qualität und seine Fähigkeiten. Die Frage war, wie schnell er sich eingewöhnen kann. Er passt perfekt in unser Profil der Nummer neun. Aber auch Fynn Lakenmacher war nach seiner Einwechslung bärenstark, wie er seinen Körper einsetzt und welche Laufwege er macht. Er war in der zweiten Halbzeit genau die Entlastung für die Mannschaft, die wir gebraucht haben. Allgemein können wir mit unsere Stürmerauswahl momentan sehr zufrieden sein.

Nochmals zu Lidberg. Sieben Tore in sieben Liga-Spielen sind eine ganz starke Quote – dabei war er in den Niederlanden nicht unbedingt ein Torjäger … 

Bei den Go Ahead Eagles hat er schon Tore geschossen. Ich glaube, in Utrecht hat er vergangene Saison dann nicht auf seiner Position gespielt, war stärker außen positioniert und nicht in der Mitte. Es geht eben auch darum, eine passende Mannschaft zu finden, in der ein Spieler seine Fähigkeiten regelmäßig zeigen kann. Und wie gesagt: Er bringt genau das mit, was wir hier brauchen: Er ist ein arbeitender Mittelstürmer. Ich glaube, im Moment freut sich kein Innenverteidiger in der Liga, wenn er gegen Isac spielen muss.

Drei Tore gegen eine Spitzenmannschaft wie Karlsruhe, fünf gegen Köln und gegen Schalke – ist der SV Darmstadt 98 womöglich doch besser, als du vor rund zehn Tagen noch in dem Interview auf der Vereinshomepage gesagt hast?

Es geht darum, Selbstvertrauen aufzubauen. Wenn nach vier Spieltagen ein neuer Trainer kommt, muss sich der neue Trainer erstmal eingewöhnen. Aber auch die Mannschaft muss sich an seine Spielidee gewöhnen. Das haben wir, so glaube ich, bislang Stück für Stück gut gemacht. Aber man muss immer vorsichtig sein, dass es nicht zu viel auf einmal wird. Man sieht, dass die Mannschaft mit dem Ball wieder torgefährlicher geworden ist, auch mit einer gewissen Kontrolle. Aber es liegt noch ein langer Weg vor uns.

Hast du das Gefühl, dass die Mannschaft auch körperlich mittlerweile in einem besseren Zustand ist?

Ja, ich glaube die vergangenen zwei Wochen mit der Länderspielpause haben da auch geholfen. Es ist eine ganz andere Arbeitsweise mit dem neuen Trainer. Das bedeutet eben auch eine andere Belastung und eine andere Trainingssteuerung. Daran haben sich die Jungs aber relativ schnell gewöhnt. Sergio Lopez hatte heute noch einen Krampf, außerdem Philipp Förster, der aber keine richtige Saisonvorbereitung hatte. Aber allgemein sind wir in der Lage, unser Spiel über eine lange Phase durchzuziehen als noch am Anfang Saison.

Zum Abschluss noch ein ganz anderes Thema: Was sagt der Engländer Paul Fernie dazu, dass der Deutsche Thomas Tuchel englischer Nationaltrainer wird?

Wir hatten hier in Darmstadt ja auch mit ihm geredet, aber er war zu teuer (lacht). Nein, das stimmt natürlich nicht. Ich freue mich, weil er ein Weltklasse-Trainer ist. Das Problem ist, dass wir in England keine Weltklasse-Trainer aus dem eigenen Land haben. Wir als Engländer müssen überlegen, was wir machen können, damit wir auch selbst wieder englische Spitzentrainer bekommen. In anderen Ländern gibt man den eigenen Trainern eher eine Chance. Nehmen wir Tuchel. Der hat in Augsburg im Nachwuchs begonnen, war dann in Mainz im Nachwuchs und hat von dort den Sprung in die Bundesliga geschafft. Zu viele Premier-League-Klubs besetzen die Posten dagegen mit Ausländern.

Euch gefällt der Lilienblog? Dann unterstützt uns und fördert damit die Medienvielfalt in Südhessen und rund um den SV Darmstadt 98.