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Paul Fernie blickt auf eine turbulente Anfangszeit beim SV Darmstadt 98 zurück. „Es war intensiv und voll mit Action. Aber auch sehr lehrreich“, sagt der Lilien-Sportdirektor mit Rückblick auf seine rund acht Monate am Böllenfalltor. Außerdem spricht er im ersten Teil des Lilienblog-Interviews über sein Selbstverständnis als Ansprechpartner im Verein, die Saisonziele sowie den „Uffstiesch“ – ein Wort, das der Engländer erst seit kurzem zu seinem Wortschatz zählt. 

Paul, du hast kürzlich gesagt, dass du beim SV Darmstadt 98 bis zu 30 Gespräche pro Tag haben. Sind das wirklich so viele?

Das kann schon vorkommen, wenn viel los ist. Immer wieder kommen Leute zu mir ins Büro, manchmal geplant, manchmal ungeplant. Es gibt jeden Tag diverse Besprechungen. Dazu Gespräche zwischen Tür und Angel, auf dem Trainingsplatz, im Kraftraum oder in der Kabine. Ich bin für viele Leute ein Ansprechpartner. Und es ist meine Pflicht, ihnen dann meine volle Aufmerksamkeit zu widmen. Auch, weil es für manche das einzige Gespräch am Tag, in der Woche oder sogar im Monat mit mir ist.

Dazu musst du doch auch ständig umschalten. Wie schaffst du das?

Der Tag ist lang. Ich bin nicht nur den ganzen Tag hier auf dem Gelände, sondern auch außerhalb auf vielen Terminen und bin auch darüber hinaus natürlich erreichbar. Fußball schläft nicht. Ein Teil meiner Aufgabe ist es zu vermeiden, dass es Kommunikationsprobleme gibt. Die meisten Probleme entstehen nämlich, wenn man nicht miteinander spricht. Die einzige Bitte, die ich an alle habe, die mit einem Problem zu mir kommen, ist, dass sie auch einen Lösungsvorschlag mitbringen.

Im Frühjahr bist du von Wehen Wiesbaden nach Darmstadt gewechselt, wo sich der Bundesliga-Abstieg schon abgezeichnet hat. Was war für dich ausschlaggebend?

Die Gespräche mit den Verantwortlichen. Ich habe gemerkt, dass es für mich fachlich und professionell passt. Dazu kam das Gefühl, dass ich auch als Mensch hierher passe. Die sportliche Situation war mir bewusst. Ich habe es als Herausforderung gesehen, neue Ideen einzubringen und das Gefühl bei den Fans, in der Stadt, bei den Mitarbeitern nach den negativen Erlebnissen in der Bundesliga wieder zu verbessern. Von Tag eins habe ich mich hier unglaublich wohlgefühlt. Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung.

In den rund acht Monaten in Darmstadt kam dann viel zusammen. Hätte es auch etwas weniger Stress sein können?

Es war auf jeden Fall intensiv und voll mit Action. Aber auch sehr lehrreich. Widerstand gehört dazu. In der Vorbereitungsphase haben wir die Weichen gestellt, was den Kader angeht. Das war in dem Moment der größte Baustein. Zugleich haben wir die Struktur mit dem Staff geändert. Am Anfang der Saison, nach vier Spieltagen mit einem Punkt, kam von außen Unruhe auf. Unfairerweise meiner Meinung nach, weil es für Abstiegsszenarien nach vier Spieltagen noch viel zu früh ist. Aber wir sind konsequent auf unserem Weg geblieben. Auch wenn es Tage gab, die nicht so schön waren. Zwei Tage nach Ende der Transferperiode hatten wir den Trainerwechsel. Und gleich im Anschluss zwei Kreuzbandrisse. Das waren viele Herausforderungen. Aber wir haben das als Team, als Mannschaft, als Verein durchgestanden.

Gab es in dem ereignisreichen Jahr einen Tiefpunkt für dich?

Es gibt immer Momente, die nicht so schön sind. Da muss man Widerstandsfähigkeit zeigen und klar bleiben. Aber ich bin ein Mensch, der den Blick auf das Positive richtet.

Okay. Dann andersherum: Was waren die Höhepunkte im vergangenen Jahr für dich?

Da waren natürlich die beiden Spiele gegen Köln. Mein erstes Spiel mit Darmstadt haben wir dort 2:0 gewonnen. Und beim 5:1 habe nicht nur ich meinen ersten Heimsieg erlebt, sondern auch die Fans nach mehr als einem Jahr. Dazu war natürlich das 5:3 auf Schalke nach 0:3-Rückstand ein ganz besonderer Moment. Das wird in Erinnerung bleiben – egal, ob für Spieler, Staff-Mitglied oder Fan.

Bei deinem Besuch in der Fernsehsendung „Heimspiel“ des Hessischen Rundfunks hast du den „Uffstiesch“ geschenkt bekommen. Zumindest auf einem Schild …

Am Anfang wusste ich nicht, was das bedeutet. Aber ich habe schnell gemerkt, dass es hessisch ist (lacht). Ich hatte in der Sendung schon geahnt, was da kommt. Ich werde ja fast wöchentlich gefragt, ob wir unsere Zielsetzung für die Saison ändern. Aber ich bleibe dabei: Es geht weiter darum, Stabilität zu finden. Für mich sind Hin- und Rückrunde mit der Pause dazwischen eh wie zwei verschiedene Saisons. Das haben wir in England so nicht. Wie können wir sicher sein, dass wir aus der Winterpause in die Form kommen, die wir zuletzt hatten? Das wird unsere Herausforderung sein!

Im zweiten Teil des Interviews mit Paul Fernie, das am Sonntag erscheint, geht es unter anderem um die Kaderplanung des SV Darmstadt 98.

Anmerkung: Beim südhessischen Wort für Aufstieg konkurrieren zwei Schreibweisen: „Uffstiech“ und „Uffstiesch“. Die erste wurde unter anderem vom Verein selbst und der FuFa verwendet. Die zweite stand unter anderem auf dem Schild, das Fernie in der hr-Sendung erhalten hat. Wir haben die Schreibweise deswegen dahingehend angepasst.

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Bildquellen

  • IMG_4553: Stephan Köhnlein

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