Sportdirektor Paul Fernie hat bei seinen Transfers des SV Darmstadt 98 im Sommer eine gute Hand gehabt. Neuzugänge im Winter schließt der Engländer zwar nicht kategorisch aus, sieht er auch keinen dringenden Handlungsbedarf. Im zweiten Teil des Lilienblog-Interviews spricht er unter anderem ausführlich über den Kader, die Trennung von Trainer Torsten Lieberknecht und eine mögliche Vertragsverlängerung von Fabian Holland.
Paul, der Verein wollte langfristig mit Torsten Lieberknecht zusammenarbeiten, der einen Vertrag bis 2027 hatte. Kann man heute noch langfristig mit Trainern zusammenarbeiten?
Es gibt Beispiele, bei denen es funktioniert. Das liegt dann meistens am Verein. Wir dürfen aber auch nicht vergessen: Es ist Leistungssport. Natürlich wünscht man sich eine gewisse Ruhe im Umfeld. Aber gleichzeitig ist die Realität, dass wir Spiele gewinnen müssen und gute Entscheidungen treffen. Ich werde daran gemessen, mehr gute Entscheidungen zu treffen als schlechte Entscheidungen. Mit dem Wissen, dass wir nie alles richtig machen und auch nicht können. Trotzdem bin ich in der Hinsicht eher Romantiker: In der Fußballwelt ist es machbar, wenn man sagt, wir gehen auf den Weg gemeinsam.
Aber mit Lieberknecht hat es dann nicht geklappt …
Auch wenn am Ende nicht die Laufzeit erreicht wurde, die im Vertrag stand, so war Torsten doch über drei Jahre hier und hat hier insgesamt sehr erfolgreich gewirkt. Das ist relativ lang, wenn man die durchschnittliche Trainer-Vertragslaufzeit von rund 14 Monaten nimmt. Für mein Empfinden ist man in Deutschland sogar etwas geduldiger als in England. Aber es gibt eben Momente, die Veränderungen erfordern.
Die Kaderplanung mit Lieberknecht war auf ein 3-5-2-System ausgelegt. Florian Kohfeldt spielt mit einem 4-4-2-System. Hat er dafür den richtigen Kader?
In der Kaderplanung willst du eine gewisse Flexibilität haben. Wir schauen als Verein, was wir wollen. Was ist unsere Spielidee, unsere DNA? Den Rahmen geben wir als Verein vor, ein Trainer muss aber gleichzeitig eine gewisse Freiheit haben, wie er seine Idee umsetzt. Eine Spielidee passt in verschiedene Formationen. Es ist der Job des Trainers, sie dann – in welcher Formation auch immer – umzusetzen.
Fabian Nürnberger und Sergio Lopez wirken manchmal eher wie Wingbacks mit viel Offensivdrang in einem 3-5-2-System als wie Außenverteidiger in einem 4-4-2-System …
Aber wir haben auch Marco Tiede, der ein sehr guter klassischer Verteidiger ist. Und Guille Bueno auf der anderen Seite, der sehr stark in den Eins-gegen-Eins-Duellen ist. Das meine ich mit Flexibilität. Es gibt gewisse Momente für alle Spielerprofile. Aber das heißt auch, dass sich jeder Spieler noch weiterbilden kann.
Insgesamt liest sich deine Transferbilanz sehr positiv …
Wir sind immer auf der Suche nach Verbesserungspunkten. Aber wir sind sehr zufrieden mit dem, was wir im Sommer gemacht haben.
Nur Merveille Papela, der von Bundesligist Mainz kam, ist zumindest mit Blick auf die Einsatzzeiten etwas hinter den Erwartungen geblieben …
Auch Mey bringt in den vergangenen Wochen seine Leistung. Wir spielen im Moment eben mit zwei Mittelfeldspielern. Aber er ist sehr nah dran an Kai Klefisch und Andreas Müller, sorgt für Wettbewerb und Konkurrenz.
Du hast gesagt, dass Sie auf ein oder zwei Positionen im Winter über Verstärkungen nachdenken. Sind das die Außenverteidiger?
Ich sehe keine Not auf den Außenposition. Wir haben alles abgedeckt mit den Fähigkeiten von Lopez, Nürnberger, Thiede und Bueno.
Die Innenverteidigung ist auch eher dünn besetzt. Christoph Zimmermann ist verletzt, Matej Maglica fehlt auch immer wieder wegen kleinerer Blessuren …
Beim Zimbo hoffen wir, dass er im Januar wieder auf dem Rasen ist. Dann werden wir sehen, wo er steht. Matej hat bei seinen Einsätzen gezeigt, dass man auf ihn bauen kann.
Und wo wollt ihr dann nachbessern?
Darüber rede ich nicht in der Öffentlichkeit. Ich sehe Bedarf, falls sich jemand verletzt. Das kann immer passieren. Dann sind wir vorbereitet, etwas zu machen. Grundsätzlich haben wir aber keine Not, dass wir jetzt irgendwo reagieren müssten.
Umgekehrt könnte der Kader wieder relativ groß werden – gerade, wenn Fabian Holland und Christoph Zimmermann zurückkehren. Gibt es Pläne, Spieler abzugeben?
Leistungsträger nicht. Alles andere entscheidet sich situativ. Wenn es für einen Spieler und auch den Verein passt, dann muss man offen sein. Aber da muss der Spieler auf uns zukommen. Wir gehen eine Reduzierung jedenfalls nicht proaktiv an.
Fabio Torsello könnte unzufrieden sein, weil er in seinem dritten Jahr im Profikader bislang nicht zum Einsatz kam …
Wir sind stark in der Offensive, sehr torgefährlich. Da kann Fabio in den wöchentlichen Einheiten viel mitnehmen. Zudem trainiert er nicht nur, sondern spielt auch in der U21. Für seine Zukunft muss er weiter Gas geben.
Ihr gebt seit dieser Saison keine Vertragslaufzeiten mehr bekannt. Warum?
Wir sind nicht der einzige Verein, der sich für diesen Weg entschieden hat. Das tut uns gut momentan.
Bei manchen Spielern weiß man, dass die Verträge auslaufen. Werdet ihr mitteilen, wenn Fabian Holland oder Marcel Schuhen ihre auslaufenden Verträge verlängern sollten?
Das würden wir schon vermelden. Die Vertragslaufzeit ist dann aber etwas anders.
Wie sieht es denn konkret bei Holland aus?
Ich habe mit Fabi gesprochen. Aber es ist zu früh, etwas Konkretes zu sagen. Und was wir genau besprochen haben, bleibt unter uns.
Paul, vielen Dank für das Gespräch!
Hier geht es zum ersten Teil des Interviews mit Paul Fernie, in dem er unter anderem über Saisonziele und den „Uffstie(s)ch“ spricht.
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- IMG_4551: Stephan Köhnlein