Seit fünf Spielen ist der SV Darmstadt 98 ohne Sieg – die Gründe für die Negativserie sind vielschichtig:
1. Verletzungsmisere
Auch wenn Trainer Florian Kohfeldt das nicht als Alibi verwenden will – die Zahl der Ausfälle ist enorm. Rund ein Drittel des Kaders fehlt aktuell. Gegen Elversberg stand in Marco Thiede Rechtsverteidiger Nummer drei auf dem Feld, weil Matthias Bader und Sergio Lopez fehlten. Die etatmäßige Doppel-Sechs mit Paul Will und Kai Klefisch ist ebenfalls lang- bis längerfristig verletzt. Zudem nicht für die Startelf zur Verfügung standen die beiden etatmäßigen Stürmer Fraser Hornby und Isac Lidberg (nach langer Verletzung später eingewechselt). Nicht zu vergessen: Auch der etatmäßige Mannschaftskapitän Fabian Holland fehlt weiter. So viel Substanz lässt sich schwer ersetzen.
2. Führungsspieler
Es gibt aktuell keinen, der die Mannschaft mitreißt, wenn es nicht läuft – spätestens seit der Verletzung von Klefisch. Will deutete zu Saisonbeginn an, dass er in diese Rolle schlüpfen könnte, bevor er sich einen Kreuzbandriss zuzog. Andreas Müller, dem Kohfeldt ebenfalls eine Führungsrolle zutraut, ist (noch?) nicht so weit. Die Last allein dem 21 Jahre alten Mannschaftskapitän Clemens Riedel aufzubürden wäre unfair, auch wenn der sich redlich bemüht. Marcel Schuhen steht im Tor und hat damit nur begrenzt Einfluss auf seine Vorderleute. Und ob der im Winter abgewanderte Klaus Gjasula der Mannschaft jetzt wirklich weitergeholfen hätte, ist nicht nur hypothetisch, sondern nach dessen Auftritten zu Saisonbeginn auch fraglich.
3. Fluch des Erfolgs
Kohfeldt und die anderen Offiziellen haben immer wieder gesagt, dass die Mannschaft sich noch stabilisieren müsse. Das wollte in der Erfolgsserie von neun Liga-Spielen ohne Niederlage aber kaum jemand hören. Da keimten die ersten Träume vom Wiederaufstieg. Doch die klaren Siege und der attraktive Fußball überdeckten vorhandene Defizite. Entsprechend groß ist jetzt die Enttäuschung. Und das betrifft nicht allein das Umfeld, sondern auch die Spieler.
4. Mit den Gegnern lernen
Das Überraschungsmoment des neunen Systems nach dem Trainerwechsel ist weg. Während Schalke, Köln und Kaiserlautern noch im offenen Schlagabtausch mit den Lilien untergingen, zeigten Ulm, Münster, aber auch Paderborn und mit Abstrichen Nürnberg, wie schwer sich die Kohfeldt-Mannschaft tut, wenn sie selbst das Spiel gegen eine massierte Defensive machen muss. „Auch die Gegner machen ihre Hausaufgaben“, hatte Angreifer Fraser Hornby nach dem Nürnberg-Spiel gesagt. Und die Lilien müssen hier einfach noch variabler werden und mehr Lösungen finden, wenn der Gegner sie nicht zum Fußballspielen einlädt.
Breite Brust nur auf dem Foto – das Selbstbewusstsein hat nicht nur bei Philipp Förster gelitten.
5. Selbstbewusstsein
Gegen Regensburg, Paderborn und Nürnberg ging der SV Darmstadt 98 zuletzt leer aus, obwohl angesichts der Chancen und Spielanteilen mit etwas mehr Matchglück durchaus mindestens ein Punkt möglich gewesen wäre. Gegen Elversberg zeigte die Mannschaft gute Anfangsminuten, die frühe Führung der Gäste zog ihr aber schnell den Zahn. Philipp Förster, der aktuell seiner starken Hinrunden-Form hinterherläuft, thematisierte bereits nach dem Nürnberg-Spiel das angeknackste Selbstbewusstsein. Kohfeldt scheut sich zunächst etwas vor dem Wort, was aber nicht bedeutet, dass er die Dinge schönredet: „Den negativen Flow müssen wir klar benennen, das müssen wir nicht weglügen“, sagte er eine Woche später. „Man darf auch nicht so tun, als ob negative Ergebnisse nichts mit einer Mannschaft machen.“ Auch das müsse man klar ansprechen.
Fazit
Bei den Ausfällen gibt es ein paar Hoffnungsschimmer. Lidberg, Hornby und Lopez könnten zumindest eine Option für die Startelf gegen Braunschweig sein. Auch Klefisch wird nicht die gesamte Saison fehlen. Kapitän Holland wird womöglich in einigen Wochen ebenfalls zurückkehren. Und Winterneuzugang Jean-Paul Boetius kann mit zunehmender Spielpraxis auch immer mehr eine Bereicherung werden. Bei den Führungsspielern müssen andere in die Verantwortung gehen – zum Beispiel ein bundesliga-erfahrener Spieler wie Förster. Gegen gut formierte Defensiven müssen die Lilien weiter an Lösungen arbeiten und diese umsetzen. Aber der entscheidende Hebel ist ganz banal: Endlich mal wieder ein Sieg – auch wenn der vielleicht nicht schön herausgespielt, sondern schmutzig und womöglich sogar unverdient ist.
Stephan Köhnlein
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Bildquellen
- SVD-elv-2024-25-blog-0023: Arthur Schönbein
- SVD-elv-2024-25-blog-0047: Arthur Schönbein