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Boetius: Da ist immer jemand, dem es schlechter geht als mir

Jean-Paul Boetius, Eintracht Braunschweig - SV Darmstadt 98

Jean-Paul Boetius, Eintracht Braunschweig - SV Darmstadt 98

Winter-Neuzugang Jean-Paul Boetius spricht über seine Krankheit, seinen Optimismus, seinen Spitznamen und seine Pläne in den kommenden eineinhalb Jahren mit dem SV Darmstadt 98. Außerdem verrät er, welcher Ex-Coach maßgeblich für den Kontakt mit den Lilien verantwortlich war.

Jean-Paul, nach deiner Hodenkrebserkrankung warst du eineinhalb Jahre ohne Verein. Nun hast du nach die ersten Spielminuten für Darmstadt gesammelt. Was war das für ein Gefühl?

Ein sehr gutes Gefühl. Da ist viel Dankbarkeit in mir. Ich bin lange vereinslos gewesen, krank gewesen. Aber jetzt bin ich endlich angekommen.

Angesichts deiner Krankheitsgeschichte war es sicher nicht so einfach, einen neuen Verein zu finden. Wie hast du das erlebt?

Die ganze Situation war natürlich sehr unsicher. Wie kriege ich das wieder hin? Meine fußballerischen Fähigkeiten standen nicht infrage. Aber wie es körperlich bei mir weitergeht, war für viele Vereine unklar. Wenn jemand eine Knieverletzung hat, wissen die genau, wie sie damit umgehen. Aber bei Krebs hatten sie keine Ahnung. Darmstadt hat mir dann das Vertrauen gegeben, sofort. Wir haben uns getroffen, ein sehr gutes Gespräch gehabt. Eine Woche später war ich hier.

Wie kam der Kontakt zustande?

Meine Berater haben natürlich verschiedene Vereine kontaktiert. Aber ich habe selber auch geguckt: Wen kenne ich? Mit wem habe ich ein richtig gutes Verhältnis. Da bin ich sofort auf Sandro Schwarz gestoßen, meinen ehemaligen Trainer. Wir haben eine ganz besondere Beziehung. Er war von Anfang an schon in Mainz und später in Berlin eine Vaterfigur für mich. So habe ich ihn angerufen. Er hat sich in seinem Umfeld umgehört. Und schließlich hat er auch meinen jetzigen Cheftrainer Florian Kohfeldt angerufen.

Alle loben hier deine positive Art. Hat dir das auch im Umgang mit der Krankheit geholfen?

Das ist meine Art, so bin ich als Person. Ich weiß, dass da immer jemand auf der Welt ist, dem es schlechter geht als mir. Wieso sollte ich meckern? Ich habe eine Familie, ich habe Freunde. Es war nicht immer einfach. Aber ich bin sehr gut unterstützt worden, habe sehr viel Liebe empfangen und den ganzen Tag den Blick nach vorne gerichtet. Ich habe einfach weitergearbeitet und auch dann sehr viel gelacht – so wie jetzt (lacht).

Wie würdest du deinen körperlichen Zustand beschreiben?

Ich bin sicher noch nicht bei 100 Prozent. Ansonsten hätte ich 90 Minuten durchgespielt. Aber wir bauen mich richtig auf. Die 60 Minuten in Braunschweig waren eigentlich noch nicht geplant. Aber es läuft, wie es läuft. Wir gucken jede Woche, wie ich mich körperlich fühle. Ich spüre, dass jetzt alles langsam zurückkommt – auch wenn die Spritzigkeit im Moment noch nicht ganz da ist. Aber man hat mir hier schon am Anfang gesagt: Lass dir Zeit, mach dir keine Sorgen, keinen Druck. Und im Moment geht es eigentlich schneller als erwartet.

In Braunschweig wurde dein Einsatz nach einer guten Stunde von einer Gelb-Roten Karte beendet. Wie hast du die Szene erlebt?

Ich gehe nicht absichtlich auf den Fuß des Braunschweigers, aber der rutscht rein. Da gibt es Schiedsrichter, die geben sofort Gelb. Und es gibt auch Schiedsrichter, die sagen: Hey, letztes Foul. Gelb-Rot kann man geben oder auch nicht. Das war auf jeden Fall sehr unglücklich. Die Mannschaft war natürlich damit benachteiligt. In Unterzahl ist es noch schwieriger, einen Rückstand umzubiegen. Körperlich habe ich die rund 60 Minuten aber gut vertragen. Die Sperre ist natürlich scheiße. In dieser Woche versuche ich jetzt halt, auf andere Weise für den Verein wichtig zu sein.

Die sportliche Situation des Vereins ist nicht so befriedigend …

Klar, wir gehen in jedes Spiel und wollen drei Punkte holen. Das haben wir in Braunschweig nicht geschafft. Da haben wir lange gut verteidigt, nicht viel zugelassen, auch wenn wir dann ein Gegentor bekommen haben. Vor allem offensiv müssen wir klarer und zielstrebiger sein, zu noch mehr Torchancen kommen. In der Hinrunde hatten wir nach fünf Spielen auch zwei Punkte und haben danach eine Serie hingelegt. Keiner hat dann mehr über diese ersten Spiele geredet. Deshalb: Wir bleiben dran. Wir halten zusammen. Denn das ist am Ende das Wichtigste, dass wir zusammenbleiben. Mit Tiefen und Höhen. Ich glaube, dass wir das wieder hinbekommen.

Was hast du dir mit Darmstadt in den kommenden eineinhalb Jahren vorgenommen?

Wir haben am Anfang gesagt, es kann eine Win-Win-Situation für mich selber, aber auch für den Verein sein. Wenn ich wieder auf meinen Level komme, bin ich mir sicher, dass ich auch ein Führungsspieler sein kann. Und dann kann ich auch sehr wichtig sein in den Spielen, die jetzt noch kommen.

Zum Schluss noch: Wie kam es eigentlich zu deinem Spitznamen Djanga?

Als ich zwölf oder dreizehn Jahre alt war, habe ich mich mit meinen Kumpels zusammengesetzt. Wir haben gesagt: Jeder braucht einen Spitznamen. Und dann sind wir auf Djanga gekommen. Wie? Keine Ahnung (lacht).

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Bildquellen

  • EBS-SVD-2024-25-udvm-0015: Arthur Schönbein
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